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Vom Abstellraum zur KapelleZeitplan und Kosten

Kirche Im Jahr 2022 steht die Innenrenovierung der Martinskirche an. Der Charakter des sakralen Raums bleibt erhalten, aber er ist künftig vielseitiger nutzbar. Von Peter Dietrich

Architektin Sandra Rapp und Pfarrer Jochen Maier erklärten die Pläne zur Kapelle. Links: Die Freskenmalerei „Mose mit den Gesetz
Architektin Sandra Rapp und Pfarrer Jochen Maier erklärten die Pläne zur Kapelle. Links: Die Freskenmalerei „Mose mit den Gesetzestafeln“ ist bisher nicht frei zugänglich. Fotos: Peter Dietrich

Der Einzug in die Martinskirche ist bisher für manche Brautpaare verwirrend, denn seit 1964 gibt es keinen Mittelgang mehr. Mit der damaligen Renovierung wollte man die Gläubigen zusammenrücken lassen. Der aktuelle Zustand fördert aber in den langen Bankreihen die Vereinzelung - wer will schon fünf andere Leute zum Aufstehen zwingen? Nun kehrt der Mittelgang zurück, und die erste Hälfte der Bank­reihen wird durch Stühle ersetzt. So lässt sich das Kirchenschiff flexibler nutzen.

Pfarrer Jochen Maier und die Architektin Sandra Rapp vom Kirchheimer Architekturbüro Bankwitz haben am „Tag des offenen Denkmals“ die geplante Innenrenovierung interessierten Besuchern erklärt. Ein Ausschuss der Kirchengemeinde hat die Renovierung in drei Stufen eingeteilt: Was ist technisch absolut notwendig, was ist erforderlich, damit gut Gottesdienst gefeiert werden kann, und was ist bloß wünschenswert?

In die erste Stufe, erläuterte Jochen Maier, gehöre die ­Elektrik: „Wer den Sicherungskasten sieht, ist erstaunt, dass es diese ­Technik noch gibt.“ Auch die Heizung muss effizienter werden, die Sprach­übertragung besser, denn die aktuellen Lautsprecher sind noch aus den 1970er-Jahren.

Zur zweiten Stufe gehört der Wunsch, nicht jedes Mal eine Leinwand aufstellen zu müssen, wenn man Bilder zeigen will. Also wird nun eine feste Leinwand montiert, die von der Decke herabgelassen wird und in hochgezogenem Zustand nicht zu sehen ist. Auch die Technik für Videoübertragungen wird installiert. Ein Teil der Bänke wird durch Stühle ersetzt, so sind künftig Stuhlkreise oder gemeinsames Essen möglich. „Das ist ein sakraler Raum, kein Wohnzimmer und kein Museum. Das wird erhalten bleiben“, stellte Jochen Maier jedoch klar.

Zur dritten Stufe gehören die Klappstühle, die nur an Tagen mit besonders großem Gottesdienstbesuch benötigt werden, etwa an Heiligabend oder bei einer Konfirmation. Sie könnten ersetzt werden, da sie aber nur rund sechsmal jährlich gebraucht werden, gelten die über 300 vorhandenen Exemplare als noch gut genug. Für sie werden Transportwagen beschafft.

Sandra Rapp blickte auf die ers­ten beiden Bauabschnitte zurück: Das Kirchendach und die tragende Holzkonstruktion wurden in der Wintersaison 2013/2014 erneuert. In den Jahren 2016 und 2017 war dann die Fassade dran, dabei wurden die Glasfenster im Chor ausgebaut und gereinigt, nun strahlen sie wieder. Bei der Innenrenovierung wird nun mit einer Glaswand ein Foyer geschaffen, es gibt einen auf Rollen fahrbaren flexiblen Kinderbereich, mehr Stauraum und eine erneuerte Beleuchtung. Der Aufgang zur Empore bleibt wie bisher, die schon in den 1960er-Jahren angedachte Wendeltreppe wurde wegen der hohen Kosten verworfen. Der Turm ist künftig nur noch von außen zugänglich, das schafft Platz. Die Stufen vom Kirchenschiff zum Chor bleiben, der Chor wird über eine kleine Rampe draußen und eine Klapprampe drinnen auch für Rollstuhlfahrer zugänglich gemacht.

An einigen Stellen steht noch die Abstimmung mit der Denkmalpflege an. Die spätgotische Kapelle, derzeit ein Abstellraum, soll wieder zur Kapelle werden. Sie soll vom Chor aus zugänglich sein. Für diesen Durchbruch, den es historisch früher schon einmal gab, muss aber ins Chorgestühl eingegriffen werden. Einige Kunstwerke sollen umziehen, so soll das Marienbild mit der „schwäbischen Mona Lisa“ einen prominenteren Platz erhalten. Dazu müssten aber einige Steingrabmäler versetzt werden. Ältere Gottesdienstbesucher wünschen sich die in den 1960er-Jahren entfernten Altar­türen aus Metall zurück. Das wird bereits überlegt, sie sollen dann aber komplett zu öffnen sein.

Die Sitzplätze in der Martinskirche sind genau abgezählt: Es soll 316 Dauersitzplätze geben, dazu 54 flexible Komfortstühle und 348 Klappstühle. Und nicht zu vergessen das Comeback für den Mittelgang: Das wird vor allem die Brautpaare freuen.

Unter den steigenden Rohstoff­preisen leidet auch die Innenrenovierung der Martinskirche. „Von Monat zu Monat wird die Sache teurer“, sagte Jochen Maier. Doch nun stehen die Bauarbeiten kurz bevor. Viele Detailfragen sind inzwischen geklärt, es gab eine Präsentation der Beleuchtung, einen Akustikworkshop und eine Schadstoffanalyse. Als nächstes folgen weitere Abstimmungen mit der Denkmalpflege, vor allem den geplanten Durchgang zur Kapelle betreffend. Auch die Platzierung der Lautsprecher ist noch offen, sie könnte an den Säulen oder von der Decke abgehängt erfolgen.

Der Baubeginn ist für 2022 geplant, die Arbeiten werden circa ein Jahr dauern. Währenddessen wird die Martinskirche für längere Zeit geschlossen. Dann wird laut Pfarrer Jochen Maier auf die Auferstehungskirche und die Christuskirche ausgewichen. Außerdem hätten die Katholiken bereits ihre Gastfreundschaft in St. Ulrich angeboten. Sie revanchieren sich damit: Während der Renovierung von St. Ulrich waren sie in der Martins­kirche aufgenommen worden. pd

Architektin Sandra Rapp und Pfarrer Jochen Maier erklärten die Pläne zur Kapelle. Links: Die Freskenmalerei „Mose mit den Gesetz
Architektin Sandra Rapp und Pfarrer Jochen Maier erklärten die Pläne zur Kapelle. Links: Die Freskenmalerei „Mose mit den Gesetzestafeln“ ist bisher nicht frei zugänglich. Fotos: Peter Dietrich
Beim "Tag des offenen Denkmals" erläuterten die Architektin Sandra Rapp und Pfarrer Jochen Maier die geplante Innenrenovierung d
Beim "Tag des offenen Denkmals" erläuterten die Architektin Sandra Rapp und Pfarrer Jochen Maier die geplante Innenrenovierung der Martinskirche