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Wander- meister

Manuel Andrack hat sich zum Wanderprofi entwickelt.Foto: Manuel Andrack
Manuel Andrack hat sich zum Wanderprofi entwickelt.Foto: Manuel Andrack

Zu Fuß die Natur und schöne Landschaften entdecken ist für Manuel Andrack mit das Schönste überhaupt. Dabei hat er stets mehr den Genuss im Auge als das verbissene Kilometerzählen.

Herr Andrack, auf meiner Uhr ist es 10.33 Uhr - wie viele Kilometer haben Sie heute schon auf Ihrer Uhr?

Manuel Andrack: (lacht) Keinen einzigen, ich war total faul. Ich gehe ja gerne wandern, aber ich bin nicht besessen und muss jetzt nicht manisch jeden Morgen meine Runde laufen. Gestern habe ich hier im Saarland sportlich schnell eine schöne Runde gedreht.

Was heißt sportlich schnell? Sind Sie mit Schrittzähler, Fitnessuhr und allem möglichen Equipment unterwegs?

Nein, das nicht. Ich hatte letztens mal einen Personal Fitnesstrainer, der sich mir angedient hatte und sagte, die während der Corona-Zeit draufgefutterten Pfunde bekäme ich beim Wandern nur weg, wenn ich immer wieder kurzzeitig den Puls hochjage. Also an Steilstrecken nicht schön langsam gehe, wie es in der Wanderfibel steht, sondern mit Vollgas den Berg hochlaufe. Das ist aber jetzt nicht die Art, wie ich normalerweise wandere.

Was ist für Sie eine normale Wanderstrecke?

Normal ist schwer zu definieren. Das hängt auch davon ab, ob man alleine, in der Gruppe oder womöglich auch mit Kindern wandert. Alles zwischen vier und 25 Kilometern finde ich normal. Der Deutsche Wanderverband sagt, alles über eine Stunde sei schon wandern. Das finde ich ein bisschen niedrigschwellig. Letzte Woche bin ich mit fünf anderen in Boppard am Rhein gewandert. Das war zwar mit 5,6 Kilometern ein relativ kurzer Wanderweg, aber wir haben trotzdem viereinhalb Stunden gebraucht.

Viereinhalb Stunden? 5,6 Kilometer schafft man in einer guten Stunde.

Aber nicht da. Es ging über 300 Höhenmeter und es war natürlich auch eine Einkehr dabei. Wenn wir nicht eingekehrt und zügig gegangen wären, hätten wir es vielleicht in anderthalb Stunden geschafft. Aber wenn man auch mal die Aussicht genießt, ein Foto macht, sich auf eine Bank setzt und was trinkt und bei der Einkehr noch was trinkt und isst, dann kommen auch mal viereinhalb Stunden zusammen.

Das Schönste am Wandern ist also die Einkehr?

(Lacht) Es gibt Leute, für die es der einzige Grund ist, wandern zu gehen. Aber ich finde die Einkehr tatsächlich sehr wichtig. Deswegen führe ich schon seit Jahren einen Kampf gegen Rucksackverpflegung und habe gleich bei meinem ersten Wanderbuch böse Leserbriefe von sehr traditionellen Wanderern bekommen. Die schrieben, ich sei gar kein richtiger Wanderer, weil ich ständig davon schreiben würde, wie ich hier einkehre und dort einkehre. Ein richtiger Wanderer hätte Rucksackverpflegung dabei.

Aber da sind Sie anderer Meinung?

Je mehr ich darüber nachgedacht habe, desto mehr hielt ich das für totalen Unsinn. Ein ganz wichtiger Vorteil gegenüber anderen Arten, sich zu bewegen, wie Joggen, Golfspielen oder Tennis ist doch: Beim Wandern hat man diesen Abwechslungsreichtum. Sie werden keinen Wanderer finden, der sagt: Das ist mein Lieblingsweg und den gehe ich einmal die Woche - das sagen nur die Nordic Walker. Wanderer nehmen gern die unterschiedlichsten Landschafts- und Natureindrücke auf - da wär’s doch fast schon kriminell, die Stulle auszupacken, die man sich zu Hause geschmiert hat. Nein, dann sollte man bitte schön auch einkehren und gucken, was es für leckere regionale Spezialitäten gibt. Es gehört für mich einfach dazu, im doppelten Sinne die Wirtschaft zu stärken. Das hat mir jetzt in der Corona-Zeit richtig gefehlt, als die Gasthöfe geschlossen hatten.

Denken Sie, dass die Deutschen in diesen Corona-Zeiten ihr Land kurz und klein wandern werden?

Das glaube ich nicht, aber es ist schon so, dass es auf den beliebten Wegen deutlich voller ist als früher. Da bemerke ich jetzt, dass der Andrang enorm ist. Aber das ist auch eine Chance - es wandern jetzt viele Leute, die das früher nicht auf dem Schirm hatten. Wandern ist ja nicht das Einzige, was in Corona-Zeiten übrig geblieben ist, aber vielen Leuten ist bewusst geworden: Wenn ich mich anstecken sollte, komme ich als Wanderer im Zweifelsfall besser über die Runden - das Virus hat ja überhaupt keinen Bock auf so eine trainierte Wanderlunge (lacht). Wobei im Zusammenhang mit Corona die Politiker das Wort Wandern gescheut haben wie der Teufel das Weihwasser.

Inwiefern?

Sie haben immer gesagt: Alles ist verboten, aber Spazierengehen geht natürlich. Aber es hat nie einer gesagt: Sie können natürlich gerne auch im Wald wandern. Wahrscheinlich, weil viele unter Wandern gleich Streckenwandern verstehen, mehrere Tage, Alpenüberquerung und Co. Dabei heißt Wandern nicht: schwerer Rucksack, lange Strecken, hohe Berge. Man kann auch im Flachland wandern, sogar in Niedersachsen, Schleswig-Holstein oder Mecklenburg-Vorpommern. Es geht darum, an der frischen Luft und nicht in Räumen zu sein. Und darum, Spaß an der Landschaft zu haben.

Wie geht Wandern für Anfänger?

Eins gilt für Anfänger genauso wie für Fortgeschrittene: Der Weg ist das Ziel. Es kommt nicht darauf an, möglichst schnell oder möglichst geradewegs zum Ziel zu kommen, sondern man sollte sich einen schönen Weg aussuchen. Ganz wichtig ist aber auch, sich nicht zu überfordern. Es gibt viele Kommunen, die als Wegebetreiber Rundwege von 18 Kilometern anbieten - die merken, dass solche Strecken nicht mehr so angenommen werden. Die Leute wollen nicht unbedingt sportwandern, gleich den ganzen Tag unterwegs sein und am Abend schmerzende Glieder und Blasen haben. Die wollen eher einen kurzen Weg gehen, dann vielleicht einkehren und am Nachmittag etwas ganz anderes machen. Man sollte sich nicht schinden, das ist auch für Wanderanfänger ganz wichtig. Wenn man sich von fünf Kilometern unterfordert fühlt, kann man ja am Nachmittag noch einen anderen Weg gehen oder die nächste Tagestour erhöhen. Dafür sind Rundwege ganz angenehm.

Mittlerweile werden Sie in manchen Medien gelegentlich als „Wanderpapst“ bezeichnet.

Ich hab mir das nicht ausgedacht, prozessiere aber auch nicht gegen jemanden, der mich so nennt. Mir ist diese Formulierung eigentlich zu klerikal. Vor ein paar Jahren hat mal ein Achtjähriger ein Bild für mich gemalt, da stand drunter „Für den Wandermeister Manuel Andrack“. Das fand ich toll. Wandermeister ist doch ein schöner Begriff, das passt auch zu den Lehr- und Wanderjahren, die ich jetzt wohl hinter mir habe.