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Widerständlerin instrumentalisiert

Zur Berichterstattung über Corona und den Leserbrief „Alltagsumgang mit Virus finden“ vom 15. September

Wutbürger, selbst promovierte, greifen mitunter zu recht zweifelhaften Mitteln, um die Maßnahmen gegen das Corona-Virus zu diskreditieren. So Dr. ­Matthias Komp in seinem Leserbrief. Er sieht sich nur von Inkompetenz und Hysterie umzingelt beim Bemühen, die tödlichen und anderen gravierenden Wirkungen der Pandemie einzugrenzen. Komp wünscht sich gute Nachbarschaft mit dem Virus, auch wenn es sich (!) „noch nicht gänzlich enttarnt hat“. Also: bald Enttarnung, bald Entwarnung . . .

Dass es legitime Kritik an den Schutzmaßnahmen gegen das Virus gibt, bestreitet kein vernünftiger Mensch. Im kulturellen Bereich etwa ist es höchste Zeit, die Vorsichtsregeln, je nach Wissensstand, neu zu justieren und alles, bis an die Grenze des Vertretbaren, zu tun, um das kulturelle Leben zu „reanimieren“. Aber jede und jeder weiß eben auch, dass der Umgang mit dem Virus ein „work in progress“ ist: ein Wechselspiel von wachsendem Wissen um die Gefährdung und der Suche nach angemessener Reaktion. Wen wundert’s, dass dabei auch Fehler und Übertreibungen passieren?

Perfide ist, wie Komp die Widerständlerin der NS-Zeit, Sophie Scholl, instrumentalisiert. Mithilfe eines ihr untergeschobenen Zitats beschimpft er „die schweigende Mehrheit, die nur überleben will, sich fügt und alles mitmacht“: also die Maskenträger und Abstandhalter von heute, und fabuliert so eine Parallele zu Zuständen von damals herbei. Wer keine Argumente zu bieten hat, verlegt sich halt aufs miese Ressentiment. Das ist extrem daneben, Herr Doktor!

Walter Bartels, Kirchheim