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Witz komm raus

Weil Humor gerade in Krisenzeiten als beliebtes Mittel der Entspannung gilt, lohnt vor allem am Gründonnerstag ein Abstecher nach Calau. Dann ist im Geburtsort des Kalauers sogar das Falschparken erlaubt. Ein Aprilscherz? Mitnichten! Von Margit Kohl

Diese Stadt hat ohne Zweifel Humor, wenn auch keinen besonders feinsinnigen. Die Calauer werden oft gebeten, einen ihrer Witze zum Besten zu geben, dabei sind es streng genommen keine Witze, sondern eben Kalauer. Die einen lachen sich darüber kaputt, andere wenden sich mit Grausen ab. Auch Bürgermeister Werner Suchner muss bisweilen Sprüche ertragen wie: „Warum geht der Calauer Bürgermeister barfuß zur Arbeit? Damit man ihm nichts in die Schuhe schieben kann.“ Aber als Bürgermeister weiß Suchner auch, dass es gerade in Zeiten der Pandemie nicht mehr viel zu lachen gibt und die Leute froh um jede Ablenkung sind. Für einen Calau-Besuch sucht man deshalb am besten einen jener beiden Donnerstage im Jahr aus, an denen die Calauer das Kalauern unter der Devise „Auf zum fröhlichen Falschparken!“ quasi auf die Spitze treiben. In der Nikolauswoche oder wie jetzt am Gründonnerstag, der diesmal kurioserweise auch noch der 1. April ist, wird die Parkverordnung der Stadt zugunsten der Aktion „Kalauer statt Knöllchen“ aufgehoben.

Jörg Suchomel, der als Außendienstmitarbeiter des Ordnungsamtes für gewöhnlich in der Innenstadt Strafzettel verteilt, erklärt die Rechtsgrundlage dafür so: „Laut Ordnungswidrigkeitengesetz kann die Stadt nach dem Opportunitätsprinzip für Bagatellordnungswidrigkeiten vom Recht Gebrauch machen, auf das Ahnden von Parkverstößen zu verzichten.“ Klingt wie der meiste Behördenkram äußerst kompliziert.

Fakt ist, Suchomel trifft an solchen Ausnahme-Donnerstagen bei seinem Kontrollgang statt auf fluchende Ertappte auf etwa 100 eigens für das Falschparken Angereiste. Die erwarten ihn bereits grinsend im Wagen und haben die Parkscheibe absichtlich im Handschuhfach gelassen oder ihr Auto gleich unverkennbar gegen die Fahrtrichtung abgestellt. Muss man sonst zehn bis 15 Euro dafür berappen, gibt es statt Strafzetteln nun Scheibenwischer-Wortwitze, unterschrieben vom Bürgermeister. Ihre Kalauer hat die Stadt ursprünglich ihrer Schustergilde zu verdanken. „Mit Kalauer kommst du durch die ganze Welt“ oder „Wer Calau nie gesehen, müsst’ zur Strafe barfuß gehen“, lautete damals deren heitere Lebensphilosophie, die sich auf das hier produzierte Schuhwerk bezog. Mitte des 19. Jahrhunderts gab es im Ort noch 144 Schuhmachermeister, die für ihre bei der Arbeit erzählten Wortwitze bekannt waren, welche Wandergesellen hinaus in die Welt trugen. Heute hat die Industrialisierung das Schusterhandwerk längst eingeholt, weshalb es in Calau nur mehr einen Schuhmacher gibt, der eigentlich Tischler ist. Frank Bareinz fertigt aus historischem Interesse noch Holzschuhe, sogenannte Klapperlatschen, von denen es zu DDR-Zeiten noch viele hier gab.

Richtig bekannt machte den Kalauer aber erst das Berliner Satireblatt „Kladderadatsch“. Unter der Rubrik „Aus Kalau wird berichtet“ veröffentlichte der Satiriker Elias Levy alias Ernst Dohm 1848 erstmals die oft derben, doppeldeutigen Wortspiele der Calauer Schuster, die er bei seinen Besuchen dort aufgeschnappt hatte. Heute steht Calau für Flachwitze wie der Spreewald für seine Gurken oder Köln für rheinischen Frohsinn. Und an neuem Kalauer-Nachschub herrscht kein Mangel. Für aktuelle Vorschläge ist am Rathaus ein Briefkasten mit der Aufschrift „Witzekasten“ angebracht und alternativ gibt es auf der Internetseite der Stadt die Rubrik „Kalauer des Monats“. Mitten im Corona-Lockdown lautete ein Eintrag: „Ein Betrunkener betritt den Beichtstuhl. Als der Pfarrer den Vorhang beiseiteschiebt und durch das Gitter schaut, sagt der Betrunkene: „Brauchst gar nicht zu fragen, hier ist auch kein Toilettenpapier.“ So sorgen die Calauer dafür, dass ihre ­Kalauer immer auf der Höhe der Zeit ­bleiben.

Auf einem eigenen Witzerundweg lässt sich der Ort sogar von Kalauer zu Kalauer erkunden. An 25 Plätzen sind Tafeln angebracht, die neben Informationen zur Stadtgeschichte auch einen Kalauer bereithalten und von kleinen Skulpturen in Form von Schusterjungen bewacht werden. Viele Vorlagen für solche Kalauer sollen auf wahren Begebenheiten beruhen, was bisweilen den Vergleich von Calauern mit Schildbürgern aufkommen ließ - wie bei der Geschichte vom Friseurmeister Utzt: Weil ihn sein Lehrling immer mit der Frage nervte, was er als Nächstes tun solle, antwortet Utzt: „Na, dann häng deinen Arsch zum Fenster raus.“ Als der Bursche zurückkam, wollte sein glatzköpfiger Meister wissen, was die Leute gesagt hätten. „Guten Tag, Herr Utzt!“, meinte der Lehrling. Zur Einweihung der entsprechenden Witzetafel sollen die Nachfahren von Utzt sogar persönlich erschienen sein, heißt es.

Kehren Falschparker nach ihrem Stadtrundgang am Gründonnerstag zu ihrem Auto zurück, finden sie statt des sonst üblichen Knöllchens neben dem Kalauerschreiben als Dreingabe auch noch ein Duftbäumchen an der Windschutzscheibe, das mit folgendem Kalauer bedruckt ist: „Wie nennt man besonders höfliche Autofahrer? Geisterfahrer! Die sind immer so entgegenkommend.“ Nur gut, dass man sich in Calau beim erlaubten Regelverstoß ausschließlich auf den stehenden Verkehr beschränkt. In diesem Sinne - gute Heimfahrt!

Man through a hole paper making a joke
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