Bissingen. Hab ich nun meine Medikamente genommen oder nicht? Und welches muss ich doch gleich am Morgen nehmen und welches am Abend? Wer täglich bis zu zehn Pillen schlucken muss, ist – vor allem im vorgerückten Alter – nicht dagegen gefeit, die Einnahme einzelner Medikamente zu vergessen oder sie zu verwechseln.
Jungen Menschen ist das kaum bewusst. Es sei denn, sie durften die Erfahrung von Robert Leipner machen. Der 16-Jährige besuchte zusammen mit seiner Familie die Großeltern in Hessen. Und diese freuten sich so sehr über den unverhofften Besuch aus dem Schwabenland, dass sie vor lauter Freude vergaßen, ihre Medikamente einzunehmen. Für den Ludwig-Uhland-Gymnasiasten war dies ein Aha-Erlebnis und gleichzeitig der Anlass, tüftlerisch tätig zu werden.
Könnte nicht ein Automat die verordneten Pillen dosieren, zur rechten Zeit abzählen und akustisch vernehmbar ausspucken? Dann müssten die Medikamente nur noch geschluckt werden, und das Vergessen hätte ein Ende. Doch wie sollte solch ein Apparat funktionieren – und vor allem: Woher sollte er die Daten erhalten? Robert Leipner setzte sich mit diesen Fragen auseinander, besprach seine Idee mit seinen Eltern, seinem Onkel, einem Mediziner, und mit Sabine Ramin, die im LUG in den Klassen 10 aufwärts Naturwissenschaft und Technik, Chemie und Biologie unterrichtet und vor drei Jahren mehrere Gruppen von „Jugend forscht“ betreute. Bei ihr erhielt der Zehntklässler Einblicke in die Automatisierungstechnik. Damit kam er jedoch bei seinem Projekt nicht weiter, und er machte sich mit anderen Möglichkeiten vertraut. Ein Professor der Schüler-Ingenieur-Akademie der Hochschule Esslingen weihte ihn in die Geheimnisse des Programmierens ein. Wie es der Zufall wollte, kam Robert Leipner bei seinen Überlegungen die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) ab 1. Januar 2015 zu Hilfe. Damit war für ihn klar, wie der Medikamentenautomat an seine Informationen kommen konnte. Der Arzt speichert auf dem Chip der Gesundheitskarte das elektronische Rezept (eRezept) mit Mengen- und Einnahmezeitangabe. Der Apotheker befüllt nach diesen Vorgaben das Magazin des Medikamentenautomaten. Zu Hause steckt der Patient das Magazin auf seinen Apparat und schiebt die elektronische Gesundheitskarte in den Schlitz des Geräts. Sie sagt dem Automaten, wann er welche Pillen über eine kleine Rutsche in eine Schale „ausspucken“ muss. Eine Lichtschranke regelt und überprüft dabei die Dosierung. Während der Ausgabe steht auf dem Display „Bitte Medikamente entnehmen“. Außerdem machen ein Piepton und ein rotes Lämpchen auf die Pillen aufmerksam. Jede Entnahme wird von der eGK dokumentiert. So kann der Arzt beim nächsten Termin erkennen, ob der Patient seine Medizin wirklich genommen hat.
Mit seinem Projekt startete Robert Leipner im Oktober 2014. In der Werkstatt seines Vaters baute er das Gehäuse des kleinen Automaten aus Alu-Winkelprofilen und Plexiglas zusammen. In den Weihnachtsferien programmierte er den Chip der elektronischen Gesundheitskarte. Über diesen steuern nun Mikroprozessoren in seinem Medikamentenautomaten die kleinen Elektromotoren, das Display, die Uhr, die Lichtschranke und den Kartenleser.
„Die Arbeit war für ihn sehr zeitintensiv“, bestätigt Sabine Ramin. „Er hat sich sehr in die Materie hineingearbeitet. Das Ganze ist sorgfältig durchdacht. Eine hervorragende Leistung“, die schließlich mit einem Sieg im Regionalwettbewerb „Jugend forscht“ im Bereich Technik honoriert wurde. Mit diesem Sieg qualifizierte sich der 16-Jährige für den Landeswettbewerb „Jugend forscht“, der heute und morgen unter der Schirmherrschaft der Firma Robert Bosch im Haus der Wirtschaft in Stuttgart über die Bühne geht.