Täter soll mehrere Frauen erpresst, bedroht, misshandelt und zu töten versucht haben
Prostituiertenschreck angeklagt

Ein für das Gericht und auch die zahlreichen Zeugen äußerst schwieriger Strafprozess hat gestern am Stuttgarter Landgericht begonnen. Auf der Anklagebank der Schwurgerichtskammer sitzt ein 34-jähriger Diplom-Verwaltungswirt aus Neuffen, der mehrere Prostituierte nach den jeweiligen „Schäferstündchen“ erpresst, bedroht, misshandelt, und in zwei Fällen sogar zu töten versucht haben soll.

Neuffen/Stuttgart. Nicht nur schwierig wird das auf mehrere Wochen terminierte Verfahren für alle Beteiligten werden, sondern besonders auch sehr belastend für die Opfer als Zeugen, vor allem Prostituierte, die möglicherweise im Zeugenstand auch auf Detailfragen der Richter, des Staatsanwalts und der Verteidigerin Rede und Antwort stehen müssen. Der auf der Anklagebank sitzende 34-jährige Akademiker, der am gestrigen ersten Prozesstag selbst sagt, dass er psychisch krank sei, soll laut Anklage in der Zeit von April 2011 bis zum Sommer letzten Jahres sieben schwere Verbrechen gegen diese Frauen begangen haben.

Es geht in erster Linie um verweigerten Prostitutionslohn für eine Karlsruher Domina in der Nacht zum 6. April 2011. Nach dem Sex soll er die Frau angegriffen und erheblich verletzt haben. Später habe er auf der Straße versucht, die Frau mit seinem Fahrzeug zu überfahren, weshalb er zusätzlich wegen „gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr“ angeklagt ist. Eine andere Frau soll er am 18. Januar letzten Jahres in einem Möhringer Etablissement nach zweistündiger „Sitzung“ mit dem Tod bedroht haben. Ebenso Todesdrohungen habe der Beschuldigte am 6. April gegenüber einem Psychiater ausgesprochen haben, in dessen Nürtinger Praxis er zur Behandlung war. Den Mediziner hat er schließlich krankenhausreif geprügelt. Der Mann musste operiert werden und verbrachte eine Woche im Krankenhaus.

Die beiden schwersten Fälle betreffen Vorgänge vom 28. Juli und 4. August vergangenen Jahres in Neuffen und Stuttgart. Einer Prostituierten, mit der er sich in seiner Neuffener Wohnung zum Preis von 550 Euro vergnügte, verweigerte er die Bezahlung, packte stattdessen die Frau an den Handgelenken und brachte sie in sein Auto, um sie offenbar wieder nach Hause zu bringen. Unterwegs jedoch habe er auf einer Landstraße bei Neuffen plötzlich angehalten und die Frau aus dem Fahrzeug geworfen und dabei in Kauf genommen, dass sie dabei hätte zu Tode kommen können.

Auch den Fall vom 4. August letzten Jahres, bei dem der Angeklagte eine weitere Prostituierte gewürgt haben soll, wertet der Staatsanwalt als versuchten Totschlag. In einem Wellness-Studio in der Schlossstraße in Stuttgart soll der 34-Jährige nach Fesselspielen plötzlich ausgerastet sein und zum einen die Frau kräftig gewürgt und dann das Inventar des Studios teilweise zertrümmert haben. Die Frau selbst erlitt dabei schwere Hals-Prellungen und konnte infolge der Verletzungen längere Zeit nicht mehr sprechen.

Der Angeklagte berichtet, wegen seines „Zwangs-Syndroms“ mehrere Aufenthalte in den letzten Jahren in psychiatrischen Krankenhäusern verbracht zu haben. Er absolvierte zwei Studiengänge: Diplom-Verwaltungswirt und evangelische Theologie. In einer kirchlichen Einrichtung war er zuletzt als Beamter auf Probezeit tätig. Die Vorwürfe selbst streitet er im Kern nicht ab, legt aber Wert darauf, dass er nicht die Absicht hatte, einen möglichen Tod der Frauen in Kauf zu nehmen. Er redet vor Gericht nur von einer „sogenannten Tat“. Er ist verlobt, will aber mit der Hochzeitsnacht noch bis zur kirchlichen Eheschließung „aus Glaubensgründen“ warten – wie er sagt. Heiraten selbst will er nach der Haftverbüßung. Da sei er sich mit seiner Verlobten einig, die trotz der Untersuchungshaft, in der er seit dem 31. August vergangenen Jahres sitzt, noch fest zu ihm hält.

Ein psychiatrischer Gutachter soll nun in dem Mammutverfahren, zu dem über 40 Zeugen und weitere Gutachter geladen sind, feststellen, ob der Beschuldigte infolge seiner psychischen Krankheit überhaupt bestraft werden kann. Ein Teil der Zeugenvernehmungen wird allerdings unter Ausschluss der Öffentlichkeit geschehen, zum Schutz der Intimsphäre der Opfer. Ein mögliches Ur­teil wollen die Richter der Ersten Großen Schwurgerichtskammer des Stuttgarter Landgerichts Ende Juni sprechen.