Nürtingen/Stuttgart. Bereits am vergangenen Donnerstag begann vor dem Schwurgericht des Stuttgarter Landgerichts der Prozess gegen neun türkische und kurdische Männer, die bewaffnet ein Nürtinger Lokal gestürmt und dabei den Wirt und Gäste schwer verletzt haben sollen. Dass die Stuttgarter Justizbehörden nicht alle 18 Beschuldigte vor einer Strafkammer verhandeln, liegt daran, dass bei unter 21-Jährigen jeweils eine Jugendkammer, und bei Erwachsenen das Schwurgericht zuständig sind. Die Verfahren wurden daher gesplittet.
Den neun jungen Männern, sieben haben einen deutschen und zwei einen türkischen Pass, wirft die Staatsanwaltschaft vor, in der Nacht zum 9. Mai vergangenen Jahres mit dabei gewesen zu sein, als insgesamt 18 Angreifer, bewaffnet mit Schlagstöcken, Baseballschlägern, Teleskop-Schlägern, Pflastersteinen und Flaschen, das von einem türkischen Wirt betriebene Nürtinger Lokal überfallen zu haben. Der Grund liege darin, dass eine Woche zuvor zwei Männer vor der Gaststätte in Streit gerieten und einer sich damit brüstete, er sei Mitglied der „PKK“.
Die vom Bundesinnenministerium in Deutschland verbotene türkische Arbeiterpartei „PKK“ unterhält offenbar in Cannstatt ein Vereinslokal für Jugendliche und in Nürtingen sowie im Reutlinger Gebiet Trefflokale. Der Streit, den die insgesamt 18 Beschuldigten in jener Mainacht austrugen, soll seinen Ursprung in einer angeblichen Beleidigung eines Türken gegen einen Kurden vom 1. Mai haben. Dabei habe der Türke sein Gegenüber mit einem Fäkalausdruck in seiner Ehre schwer gekränkt. Und daraufhin sollen die Angeklagten in einem der Vereinslokale das Rollkommando zusammengestellt haben.
„Heimtückisch und aus niederen Beweggründen“, so die Staatsanwaltschaft, sei die Gruppe dann gegen 23.30 Uhr vor der Gaststätte in Nürtingen erschienen, schwarz gekleidet und mit schwarzen Tüchern vermummt. Innerhalb von nur 45 Sekunden wurden die zufällig vor der Eingangstüre stehenden Gäste niedergeknüppelt. Die Schläge seien ausschließlich gezielt auf den Kopf verabreicht worden, mit der Folge, dass vier der Opfer schwere Kopfverletzungen erlitten. Einer musste im Nürtinger Krankenhaus intensiv behandelt werden.
Der Auftakt des Verfahrens war von umfangreichen Sicherheitsmaßnahmen der Justiz begleitet. Dem Gericht war zu Ohren gekommen, dass es zwischen den offensichtlich verfeindeten Gruppen der Türken und der kurdischen Zuhörer zu Bedrohungen bis hin zu tätlichen Angriffen kommen könnte. Im Gerichtssaal selbst trennten sich die Lager allerdings freiwillig weit auseinander. Zuvor hatte sich aber jeder Zuhörer einer gründlichen Durchsuchung nach Waffen unterziehen müssen. Rund 60 Polizeibeamte sicherten mit ihrer Präsenz den Prozess.
Mit fast dreistündiger Verspätung erst konnte die Staatsanwaltschaft die Anklageschriften wegen heimtückischen versuchten Mordes, gefährlicher Körperverletzung, Sachbeschädigung und schweren Landfriedensbruch gegen die neun jungen Männer verlesen. Danach rügten die Verteidiger einen Verstoß gegen das Öffentlichkeitsrecht. Man habe nicht alle Zuhörer in der richtigen Reihenfolge eingelassen.
Diese erste Rüge wiesen die Richter der dritten Jugendstrafkammer per Beschluss zurück. Es gäbe bei Gerichtsverhandlungen für Zuhörer kein Reservierungsrecht und auch kein Reihenfolge-Prinzip, heißt es in dem Beschluss. Da die Angeklagten zunächst noch keine Angaben zu den Vorwürfen machen, wird das Verfahren, in dem mehr als 30 prall gefüllte Aktenordner Ermittlungen stecken, parallel zum Prozess vor der Stuttgarter Schwurgerichtskammer mehrere Wochen andauern.