Der Krankenstand im Landkreis Esslingen ist vergangenes Jahr leicht angestiegen. Er liegt aber noch unter dem Landes- und deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Dies geht aus dem jetzt vorgestellten DAK-Gesundheitsreport hervor.
Christian Dörmann
Kreis Esslingen. Auffällig ist die seit 2006 stetig steigende Zahl psychischer Erkrankungen. Sie nehmen nach Muskel-Skelett-Erkrankungen und Atemwegserkrankungen wie Erkältungen oder Bronchitis mittlerweile den dritten Rang ein. Inwieweit es sich dabei in erster Linie um ein statistisches Problem handelt, ist auch unter Fachleuten strittig.
Auf den ersten Blick wirkt die Statistik besorgniserregend: So ist in Baden-Württemberg die durch psychische Erkrankungen bedingte Zahl von Fehltagen bezogen auf 100 Versicherte seit 2006 von 109 auf 180 im Jahr 2013 gestiegen. Im Landkreis Esslingen waren es zuletzt 154 Tage, der Trend geht in die gleiche Richtung. Sieht sich Matthias Leschke, Chefarzt am Klinikum Esslingen, nur das reine Zahlenmaterial an, dann spricht er von einer alarmierenden Entwicklung. Betrachtet er die Fallzahlen in seinem Krankenhaus, vermag er eine um 80 Prozent gestiegene Zahl von psychischen Erkrankungen im Land seit 2006 nicht nachzuvollziehen. Auch unter Fachleuten werde darüber diskutiert, inwieweit Veränderungen bei der statistischen Erfassung eine Rolle spielten. „Mobbing, Erschöpfung oder Burnout wurden in früheren Jahren gar nicht als Krankheit anerkannt“, sagt Leschke. Er vermutet durch den heutzutage offeneren Umgang mit solchen Krankheitsbildern einen Grund zu erkennen, weshalb die Zahlen so deutlich angestiegen sind. Würde man einen solchen Trend etwa im Bereich kardiologischer Erkrankungen beobachten, würde man auf fachlicher Ebene sofort reagieren.
Unter dem Strich bleibt aber die Tatsache, dass der DAK-Gesundheitsreport 2014, dem Fallzahlen von 14 000 erwerbstätig Versicherten sowie empirische Untersuchungen zugrunde liegen, die psychischen Erkrankungen an dritter Stelle auflistet. Nur wenn es um das Muskel-Skelett-System (Rückenschmerzen, Bandscheibenschaden, Knieprobleme) geht, ist die Zahl der Fehltage pro 100 Versicherte und Jahr mit 215 höher, gefolgt vom Atmungssystem (Erkältung, Bronchitis, Mandelentzündung) mit 212. Dabei hat es bei den Atemwegserkrankungen im vergangenen Jahr einen deutlichen Zuwachs der Fälle von 23,1 Prozent gegenüber 2012 gegeben. Hinter den psychisch bedingten Erkrankungen folgen in der Rangliste der Fehltage Verletzungen (122), Infektionen (60) und die Neubildung gut- oder bösartiger Tumore (60).
Laut Joachim Grün, dem Leiter des DAK-Servicezentrums, schneidet der Landkreis Esslingen im Vergleich zu anderen Regionen im Land gut ab, wenn es um einen Vergleich der Fehltage von Arbeitnehmern geht. Da liegt der Kreis Esslingen auf dem vierten Platz, lediglich die Stadtkreise Stuttgart und Heidelberg und der Bodenseekreis weisen noch etwas bessere Werte auf. Übrigens: Erstaunlich ist das Verhältnis von Langzeiterkrankungen bezogen auf die Fehltage. Nur drei Prozent Erkrankungsfälle mit einer Dauer von 43 und mehr Tagen sind im Kreis Esslingen für fast 38 Prozent der Fehltage verantwortlich.
Einen besonderen Schwerpunkt hat die DAK innerhalb ihres Gesundheitsreports auf die Altersgruppe der 25- bis 39-Jährigen in Baden-Württemberg gelegt. Sie nennt diesen Altersabschnitt die „Rushhour des Lebens“, in dem mit Blick auf Beruf, Karriere und Familie die Weichen gestellt werden.
Wer nun denkt, die Alltagsbelastung sei für diese Gruppe besonders hoch und dies würde sich in Krankheitstagen niederschlagen, der irrt. Bei den 25- bis 39-Jährigen liegt die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage mit 913 je 100 Versicherte niedriger als bei den 15- bis 24-Jährigen (951) und den Menschen, die zwischen 40 und 64 Jahre alt sind (1435). Auch nach den Wünschen und Hoffnungen derjenigen, die in der „Rushour des Lebens“ sind, hat sich die DAK erkundigt. Demnach will mehr als die Hälfte der Kinderlosen Karriere und Kinder unter einen Hut bringen, fast alle wünschen sich eine stabile Partnerschaft und bald 70 Prozent der erwerbstätigen Eltern haben das Gefühl, nicht genug Zeit für sich selbst zu haben. Wenn es um die Arbeitswelt geht, wünschen sich viele 25- bis 39-Jährige mehr familienfreundliche Angebote wie Teil- und Gleitzeit, die Ermutigung von Männern, Elternzeit zu nehmen, einen Betriebskindergarten oder eine Notfallkinderbetreuung.