Lokales
Radeln „trotz“ Führerscheins

Kirchheim ist eine Fahrradstadt. Das zeigt sich auch an der Einstellung der Bürger. „Gell, mir send fahrradfreundlich“, wurde die Oberbürgermeisterin jüngst von der Nachbarin begrüßt, als beide zwecks samstäglichem Marktbesuch mit ihren Drahteseln das Haus verließen. – Gelebte Bestätigung der Lokalpolitik.

Noch deutlicher nimmt die Fahrradfreundlichkeit wahr, wer gelegentlich aus entfernteren Gefilden zum Arbeitsplatz in Kirchheim radelt, beispielsweise aus dem Filstal. Keine 20 Kilometer trennen Göppingen von Kirchheim, doch in puncto Einstellung zum Fahrrad sind es offenbar Welten.

Mag sein, dass diese Theorie hinkt, denn den Beleg liefern lediglich persönliche Erfahrungen: Berichtet man Zeitgenossen aus Kirchheim und Umgebung vom Alltagsgeradel zwischen Fils und Lauter, entspinnen sich sofort fachkundige Diskussionen über die beste, sicherste, schnellste Strecke. Man kennt sich aus, ist zumeist selbst schon durchs schöne Wiestal in den Nachbarkreis gestrampelt, kann Tipps aus dem Ärmel schütteln.

Die Stauferstadt ist deutlich hügeliger, doppelt so groß und entsprechend verkehrsreicher – eben längst nicht so fahrradfreundlich, trotz aller Bemühungen. Dem Verweis auf die Radfahrt zur Arbeit folgte hier kürzlich peinliche Stille in der Runde. Es dauerte, bis der Groschen fiel, dass hinter dem betretenen Schweigen nichts anderes als Taktgefühl steckte. Ein Mutiger wagte sich nämlich plötzlich aus der Deckung und stellte mitfühlend die Frage, die eindeutig die ganze Runde bewegte: „Hat man Ihnen den Führerschein abgenommen?“

IRENE STRIFLER