Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club zertifiziert Kirchheim als fahrradfreundliche Stadt
Radfahrer gehören zum Stadtbild

Radfahren wird in Kirchheim großgeschrieben. Deshalb steigen viele Bürger in der Teckstadt gern aufs Radl. Die Stadt hat sich damit nicht nur das offizielle Etikett „fahrradfreundliche Kommune“ verdient, sondern wurde jetzt auch vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) zertifiziert.

Kirchheim. „Kirchheim bietet ein gutes Klima für Radler“ sagt eine, die das aus eigener Erfahrung weiß: Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker ist selbst oft mit dem Drahtesel in der Teckstadt unterwegs. Auch eine ganze Reihe von Mitarbeitern der Verwaltung steuern ihren Arbeitsplatz regelmäßig mit Muskelkraft an. Dafür gibt‘s konsequenterweise einen kleinen Zuschuss aus der Stadtkasse, denn schließlich werden ÖPNV-Tickets für Mitarbeiter auch etwas unterstützt. Wegbereiter für eine fahrradfreundliche Stimmung war sicher in großem Maße die Agendagruppe „FahrRad“, wie Matt-Heidecker und Bürgermeister Günter Riemer unisono betonen.

Heute sind es längst mehr als eine Handvoll begeisterter Pedaleure, die das Thema Radfahren in Kirchheim umtreiben. Bernd Cremer, Ansprechpartner des ADFC vor Ort, freut sich über zahlreiche Verbesserungen in den vergangenen Jahrzehnten. Jüngst war er sogar mit einer Seniorengruppe aus dem Radler-Mekka Münster mit Pedelecs rund um die Teck unterwegs. Trotz großen Zuspruchs und jeder Menge Lob kann Cremer auch einige Punkte nennen, die durchaus noch einer Überprüfung unterzogen werden beziehungsweise verbessert werden sollten.

Gerade in dieser „kritisch-konstruktiven Begleitung“, wie‘s die Stadtchefin nennt, sieht der ADFC seine Aufgabe. Frank Zühlke, Fachreferent Infrastruktur beim ADFC-Landesverband, hat eine Broschüre mit im Gepäck. Sie nimmt den Radverkehr vor Ort unter die Lupe und listet Plus- und Minuspunkte auf, um den Entscheidungsträgern so eine Hilfe zu bieten für künftige Planungen rund um die Rad-Infrastruktur.

Zwei Beispiele: Viele Einbahnstraßen wie beispielsweise das Ochsengässle wurden in Kirchheim für Radfahrer in Gegenrichtung geöffnet. Das wird vom ADFC als ausgesprochen positiv bewertet, erspart es doch Umwege. Handlungsbedarf sehen die versierten Radfachleute noch bei vielen Sackgassen. Diese sind nämlich für Radler oft keine Sackgassen, sondern nur für Autos. Das wissen jedoch nur Insider. Als Beispiele nennt der ADFC die Badwiesen, die Senefelderstraße oder den Marderweg. Hier müssten die Einfahrten gekennzeichnet werden, dass Radfahrer erkennen, weiterzukommen.

Generell lässt sich sagen, dass die Anwesenheit vieler Radler auf den Straßen deren Sicherheit erhöht: „Je mehr Radler unterwegs sind, desto mehr Rücksicht wird genommen“, formuliert es Thomas Rumpf, Vorsitzender des ADFC Baden-Württemberg. Dass die Zahl der Radler weiter zunimmt, ist Ziel der Verbandes. „Wer Radfahren fördert, senkt die Kosten für Infrastruktur, medizinische Behandlungen, Klimaschutz“, argumentiert der ADFC. Interessant ist auch eine Statistik, auf die Thomas Rumpf verweist: Radler kommen häufiger zum Einkaufen in Städte als Pkw-Fahrer und geben insgesamt auch mehr Geld aus.

Hohe Zuwachsraten verzeichnen besonders die motorunterstützten Räder. „Pedelecs haftet längst nicht mehr das Alte-Leute-Image an“, sagt Rumpf und spricht von einer großen Chance für Menschen, die täglich zur Arbeit fahren, aber auch für Ältere, deren Kraft nachlässt. Rumpf nennt im Blick auf die älter werdende Gesellschaft einen klaren Vorteil des Pedelecs gegenüber dem Auto: „Wenn man nicht mehr Pedelec fahren kann, dann merkt man das selbst zum richtigen Zeitpunkt.“

Allerdings bergen die Fahrzeuge durchaus auch Risiken, vor allem aufgrund des Tempos und der Tatsache, dass sich auch viele Zeitgenossen daran wagen, die nicht allzu versiert sind im Umgang mit Zweirädern. Radfahren ist weder beim Führerschein noch in der Schule ein größeres Thema: „In der vierten Grundschulklasse wird der Fahrradführerschein gemacht, da geht es vor allem um Sicherheit und Motorik“, berichtet Günter Riemer. Bernd Cremer ergänzt, dass viele Streitereien zwischen Autofahrern und Pedaleuren schnell beigelegt wären, wenn man mal eben die Perspektive wechseln könnte. Die Idee, mal mit dem Gemeinderat eine Pedelec-Tour durch die Stadt zu unternehmen, nahm die Oberbürgermeisterin jedenfalls schon mal begeistert auf. Im Verbund mit dem ADFC wird die Verwaltung in naher Zukunft noch weitere Verbesserungen fürs Radfahren in Kirchheim anstreben.

Ob mit Helm oder nicht, das mag jeder selbst entscheiden (siehe Artikel unten). Wer jedoch wie Bürgermeister Riemer einmal von einem angetrunkenen Autofahrer zu Fall gebracht wurde und vielleicht nur dank seines Kopfschutzes unbeschadet überlebt hat, für den beantwortet sich die Frage eigentlich von selbst.