Zum Artikel „Am Scheidepunkt“ vom 8. August
Die Grünen wollen auf ihrem Jubiläumsparteitag am 21./22. September eine „radikal andere Politik“ auf dem Weg in ein „klimaneutrales . . . Zeitalter“ beschließen. Gut so. Dass eine „radikal andere Politik“ dringend nötig ist, wird mittlerweile von einer Mehrheit in Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft bejaht. Entscheidend ist aber, wie rasch diese radikale Politikwende konkret auf den Weg gebracht wird. Da lässt die grün-schwarze Landesregierung bis dato die Radikalität noch etwas vermissen. Nur ein Beispiel: das 365-Euro-Jahresticket für Schüler für Bus und Bahn. Das grüne Verkehrsministerium räumt ihm in dieser Legislaturperiode keine Verwirklichungschancen mehr ein. Im 20-seitigen Klima-Leitantrag für den grünen Parteitag finden sich auch nur vage Absichtserklärungen: „Bis Ende 2020 wollen wir den BW-Tarif durch attraktive Zeittickets für Pendler und eine attraktive Jahresnetzkarte komplettieren . . . Wir wollen die Verbreitung des 365-Euro-Jahrestickets in den Kommunen unterstützen.“
Der Blick über die Landesgrenzen zeigt: Dort wird mehr Radikalität gewagt. In Hessen können Schüler, Auszubildende und bald auch Senioren für 365 Euro im Jahr alle Busse, Straßenbahnen, U- und S-Bahnen sowie Regionalzüge im Land nutzen. In Bayern hat Ministerpräsident Söder Ende 2018 ein 365-Euro-Jahresticket für Jugendliche und Schüler in den Ballungsräumen des Freistaats in Aussicht gestellt. In Berlin können alle Schüler seit dem 1. August kostenlos Bus und Bahn fahren. Der Preis für das Azubi-Ticket wurde auf 365 Euro im Jahr reduziert. Senioren können ein Jahresticket für 593 Euro erwerben. In Brandenburg gibt es ein 365 Euro teures Jahresticket für Azubis.
Hans Dörr, Sprecher Kirchheimer Forum 2030, Notzingen