Kirchheim. Während sich der Ortschaftsrat aus Kostengründen zunächst mehrheitlich einem Abbruch zuzuneigen schien, ist jetzt wieder alles offen. Wie der Verschönerungsverein in einer ausführlichen Pressemitteilung darstellt, hat Jesingens Ortsvorsteher Möslang zugunsten eines Erhalts folgende Aspekte aufgezählt: Das Fachwerk von 1577 ist eines der ältesten in Kirchheim. Sanierungszuschüsse gleichen die Kosten gegenüber einem entsprechenden Neubau aus. Erweiterte Nutzungsmöglichkeiten entstehen durch Jugendtreff und Seniorenarbeit.
Wer nun glaubte, die Rettung des alten Rathauses wäre angesichts dieser Argumente gesichert gewesen, täuschte sich: Eine kleinere moderne „Sparversion“ wurde 2012 für das Rathaus auf das Reißbrett gezeichnet und entfachte die Diskussion wieder neu.
Der Verschönerungsverein bittet nun die Jesinger Bürger, sich bei der Bürgeranhörung am Dienstag, 22. Januar, zahlreich für eine Erhaltung ihres historischen Ortszentrums einzusetzen. Wie das „alte Herz Jesingens“ in Zukunft ausschauen könnte, ist an den Fachwerkfassaden des Kirchheimer Finanzamtes und der Finanzamtsscheuer zu besichtigen, die 1626, also nur wenige Jahrzehnte nach dem Jesinger Rathaus, gezimmert wurden und den gleichen alten Sichtfachwerkstil zeigen.
Die von Ortsvorsteher Möslang angesprochene „erweiterte Nutzung“ eines renovierten historischen Rathausgebäudes könnte man noch um einen Raum für ein „Ortsmuseum“ ergänzen, in dem sich neben den Ortsurkunden auch die einzigartigen Schätze der benachbarten Petruskirche anschaulich präsentieren ließen, die bisher weitgehend unzugänglich in den Schränken der Sakristei und im Pfarrhaus lagern. Dies ist in einer modernen Schrumpfversion eines Rathauses niemals attraktiv zu verwirklichen.
„Hier schlägt das Herz der Gemeinde Jesingen – um Rathaus, (Petrus-)Kirche, Kelter, Mühle“, heißt es in der Ortsgeschichte von 1969. Vom „ortsbildprägenden Gebäude Jesingens“ ist auf der Homepage der Stadt Kirchheim die Rede. Der Verschönerungsverein fragt daher: Soll dieses reizvolle Stück Jesinger Ortsmitte mit seinem gewachsenen Gleichgewicht von Rathaus und Petruskirche erhalten bleiben oder künftig durch ein modernes „Kunstherz“ ersetzt werden? Das ist die Frage, zu der die Jesinger Bürger am 22. Januar gehört werden.
An den Kirchheimer Gemeinderat richtet der Verschönerungsverein die Frage, wie er sich „Kirchheim als Fachwerkstadt“ zukünftig vorstellen will, wenn er ein öffentliches, orts- und kunstgeschichtlich wertvolles Fachwerkgebäude wie das Jesinger Rathaus nicht sanieren möchte. Jeder private Bauherr werde „mit Fingern“ auf das Jesinger Beispiel zeigen und für sich ebenfalls das Recht auf Abbruch seines privaten Fachwerkhauses einfordern, mutmaßt der Verein.
In der Vergangenheit war dies anders, so die Meinung des Verschönerungsvereins, der auf „die vorbildliche, nicht Kosten scheuende Sanierung des Spitalgebäudes“ verweist und die Frage stellt: „Warum nicht auf diesem Weg in den Filialgemeinden weiterschreiten?“fh