Kirchheim. „Wir starten weltweit mit neuen Projekten und neuem Schwung durch“, zeigte sich Elmar Deegener, Leiter des Bereichs Recaro Automotive Seating bei Johnson, gestern überaus zuversichtlich, dass die Krise des Kirchheimer Traditionsunternehmens endgültig und anhaltend überwunden ist. Die Flaute auf dem Automobilsektor hatte den Anbieter von hochwertigen Sitzen für Premiumfahrzeuge vor einigen Jahren besonders hart getroffen. Das Unternehmen musste Personal abbauen, und im Juni 2011 folgte schließlich der Verkauf der Automobilsparte der Keiper-Recaro-Gruppe an Johnson.
Johnson Controls ist ein börsennotierter Konzern mit weltweit 170 000 Mitarbeitern und einem Umsatz von rund 42 Milliarden Dollar. Neben Steuerungseinheiten für Heizungs-, Lüftungs- und Klimatisierungsanlagen in Gebäuden produziert das Unternehmen Autozubehör wie Batterien, Innenverkleidungen, Instrumententafeln und Autositze. Mit der Übernahme des Automobilbereichs von Recaro hat Johnson seine Angebotspalette im Sitzbereich um die Premiumklasse erweitert und will in Zukunft noch mehr die weltweite Produktions- und Vertriebsstruktur von Johnson nutzen, um neue Kunden für die hochwertigen Recaro-Sitze zu gewinnen.
Gemeinsam mit dem Kirchheimer Standortleiter Dr. Christian Debus präsentierte Elmar Deegener gestern die neue Ausrichtung des Unternehmens und verkündete schon erste Erfolge: „Wir konnten den Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um 15 Prozent steigern und zudem große und interessante Kunden neu für Recaro begeistern“, sagte Dr. Debus. Als Beispiel für die erfolgreiche Akquise und die Zusammenarbeit mit Johnson-Produktionsstätten nannte Deegener einen Neuauftrag eines amerikanischen Automobilherstellers. Gefertigt werden diese Sitze von Recaro in einem Johnson-Werk in Mexiko.
Recaro Automotive Seating selbst hat im Moment sechs Standorte weltweit. Die Sitze für Nutzfahrzeuge werden vor allem in Kaiserslautern produziert. Dort beschäftigt das Unternehmen 301 Mitarbeiter. Kirchheim mit seinen 271 Mitarbeitern ist der Sitz für den Geschäftsbereich Pkw-Sitze. Hinzu kommen Produktionsstätten in Polen (40 Mitarbeiter), Japan (96 Mitarbeiter) sowie in den USA und Mexiko (122 Mitarbeiter). Rund 90 Prozent des Umsatzes macht Recaro mit Sitzen für Neufahrzeuge. Produziert wird vor allem für die sportlichen Premiumfahrzeuge der unterschiedlichsten Hersteller. Der restliche Umsatz kommt aus dem Bereich Nachrüstung. Die Kunden in diesem Sektor sind sportlich orientierte Autofahrer, immer öfter aber auch Menschen, die aufgrund von Rückenproblemen Schwierigkeiten mit einem Standardautositz haben.
Für die Zukunft hat sich Recaro einiges vorgenommen, um weiter Technologieführer in Sachen Fahrzeugsitze zu bleiben. Christian Debus präsentierte in diesem Zusammenhang auch den neuen Motorsportsitz P 1300 GT, die erste Sportschale mit Längs- und Neigungseinstellung. In Planung ist zudem eine neue Sportsitzplattform in modularer Bauweise, die relativ einfach an die verschiedenen Fahrzeuge angepasst werden kann. Außerdem bastelt die Recaro-Entwicklungsabteilung in Kirchheim gerade an einem neuen Leichtbausportsitz, der Komfort, Sicherheit und ansprechendes Design vereint.
„Recaro Smart Seating“ schließlich heißt das ehrgeizige Projekt der Recaro-Ingenieure, das mithilfe von Sensoren und Elektronik für „intelligente“ Sitze sorgt: „Der Sitz passt sich beispielsweise automatisch dem Gewicht und der Körperform des Fahrers an“, beschreibt Debus die Innovation. Die Sensoren registrieren zudem, wenn der Fahrer ermüdet, und können die Informationen an das Fahrzeug weitergeben. Denkbar ist auch eine Smartphone-App, die Daten wie Alter, Gewicht und Größe per Bluetooth ans Fahrzeug überträgt und bereits beim Einsteigen für die optimale Sitzposition sorgt.
Durch diese intensivierte Entwicklungsarbeit, die Optimierung von Prozessen, den internationalen Austausch, die Investition in Anlagen und die Akquisition von Neuprojekten werde Recaro „fit für die Zukunft“, versichert Elmar Deegener. Zu spüren bekomme das vor allem der Standort Kirchheim. Dort sollen 2013 die Fertigungsanlagen auf dem bestehenden Gelände aus- und umgebaut werden. Aufgrund der Umsatzsteigerung und der positiven Auftragslage, so Debus, suche Recaro zudem qualifizierte Fachkräfte in allen Bereichen.