Kirchheim. Auf der Internetseite „Freie Nationalisten Esslingen“ werden seit Februar Artikel mit Titeln wie „Nationaler Widerstand im Kreis Esslingen“ oder „Erneuter Mord durch Ausländer“ veröffentlicht. Außerdem wird von rechten Demonstrationen berichtet, über Polizeibeamte hergezogen und sogar indirekt zur Gewalt gegenüber Antifaschisten aufgerufen.
Im Zusammenhang mit der tödlichen Messerstecherei im Kirchheimer Asylbewerberwohnheim wird von einer Flugblattaktion berichtet, mit der Nachbarn des Wohnheims vor „brutaler Ausländergewalt“ gewarnt werden. „Es hätte jeden Menschen treffen können, der zur besagten Zeit an der Asylunterkunft vorbeigekommen wäre“, schreibt der Verfasser und fordert, kein Geld mehr für Asylbewerber auszugeben und kriminelle Ausländer sofort abzuschieben.
Wer hinter der Seite steckt, ist unklar. Die Seite wird auf Vanatur, einem Inselstaat im Südpazifik, gehostet. Ein Impressum gibt es nicht, der Urheber der Seite ist unbekannt. Der einzige Name, der auf der Seite auftaucht, ist der des Anwalts Steffen Hammer, dessen Kanzlei im Fall der Fälle rechtliche Unterstützung anbietet. Hammer ist in der rechten Szene kein Unbekannter: Laut Recherchen des Reutlinger Generalanzeigers war der Anwalt Kopf der Rechtsrockgruppe „Noie Werte“. Die Gruppe rückte ins öffentliche Bewusstsein, weil Verbindungen zur Zwickauer Terrorzelle, heute Zelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) genannt, bekannt wurden. Die NSU-Zelle, deren mutmaßliches Mitglied Beate Zschäpe sich ab dem 17. April vor Gericht verantworten muss, hatte zur Untermalung ihrer Bekennervideos zwei Stücke des Rechtsanwalts und seiner Gruppe verwendet.
Die Polizeidirektion Esslingen steht dem rechten Treiben momentan einigermaßen ratlos gegenüber. „Es gibt nichts Griffiges für uns. Wir kennen nicht die Personen, die dahinterstecken, es ist nichts bekannt über Versammlungen oder Treffen der Gruppe“, sagt Matthias Bellmer, Sprecher der PD Esslingen. Die Ermittler müssten nun herausfinden, wer hinter der Sache steckt. Ob sich die Gruppe mit der Internetseite, beispielsweise mit dem indirekten Aufruf zur Gewalt an Antifaschisten, strafbar macht, kann Bellmer noch nicht sagen. „Das müssen Juristen bewerten“, sagt er. Claudia Krauth, Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft Stuttgart, verweist bei diesem Thema auf die Grenzen staatsanwaltlicher Arbeit: „Wir können nicht im Vorfeld gegen solche Dinge vorgehen, sondern immer erst, wenn eine Straftat begangen wurde. So unbefriedigend das ist“, sagt die Staatsanwältin.
In diesem Kontext ist eine Pressemitteilung interessant, die die PD Esslingen und das Landeskriminalamt Baden-Württemberg (LKA) am 25. Februar herausgegeben haben. Unter dem Titel „Rechtsextremismus: ständig im Fokus der Polizei“ wurde von einem Einsatz berichtet, im Rahmen dessen Beamte der Beratungs- und Interventionsgruppe gegen Rechtsextremismus (BIG Rex) gemeinsam mit Kollegen der Esslinger Kriminalpolizei über 20 Mitglieder und Sympathisanten der rechten Szene besuchten. Ziel war es laut der Pressemitteilung, den „oft orientierungslosen jungen Menschen Alternativen und Möglichkeiten eines Ausstiegs aufzuzeigen“. Das Ergebnis der Aktion sei positiv zu bewerten, schrieb die PD Esslingen. In den Gesprächen hätten sich bereits eine Vielzahl der Personen von der rechten Szene distanziert, mit der Begründung, man hätte „halt ein Teil einer Gruppe sein“ wollen oder „anerkannt sein“. Im Rahmen der Möglichkeiten wolle man diesen Personenkreis auch weiterhin im Auge behalten.
Auf den möglichen Zusammenhang zwischen der Gruppierung „Freie Nationalisten Esslingen“ und der Befragung von Sympathisanten der rechten Szene angesprochen, erklärt PD-Sprecher Matthias Bellmer: „Was das LKA mit der BIG Rex-Aktion macht, ist losgelöst von unseren Ermittlungen. Dieser Einsatz wurde abgeschlossen. Eine andere Geschichte wird nun sein, zu recherchieren, wer sich hinter dieser Sache verbirgt.“
Dass die Autoren, die auf der Seite „Freie Nationalisten Esslingen“ schreiben, oder zumindest ihre Leser sehr wohl Besuch von „BIG Rex“ bekommen haben könnten und somit auch der PD Esslingen bekannt sein müssten, wird jedoch in einem Beitrag auf der Homepage deutlich, der mit dem Titel „Aussteigerprogramm des LKA belästigt Nationalisten im Kreis ES“ überschrieben ist. „Mit hohlen und dämlichen Ansprachen an der Haustür, wie man dies von den Helfern des Systems mittlerweile hinreichend gewohnt ist, versuchten sie, die angesprochenen Personen in Gespräche zu verwickeln und durch aufgesetzte Freundlichkeit locker rüberzukommen“, berichtet ein Autor. „Richtigerweise blieben die Türen für die Handlanger des Systems verschlossen, und die Beamten, bei denen es sich um eine Frau und einen Mann jüngeren Alters handelte, mussten unverrichteter Dinge wieder von dannen ziehen.“