Nürtingen und Kirchheim als Zentrum für minimalinvasive Chirurgie zertifiziert
Reise ins Innere des Bauches

Die gemeinsame Chirurgie der Kliniken Nürtingen und Kirchheim ist jetzt als Kompetenzzentrum für minimalinvasive Chirurgie zertifiziert worden.

Nürtingen. Die Entfernung einer Gallenblase steht an. Im Gegensatz zur herkömmlichen Operationsmethode hält der Chirurg jedoch nicht Skalpell und Schere in der Hand. Vielmehr hält er die Enden von zwei Sonden in Händen und betrachtet sich den Bauchraum auf einem Bildschirm. Das Bild dazu liefert eine kleine Kamera, die über eine dritte Sonde eingeführt wurde.

Die Hülsen für die Sonden sind nicht dicker als fünf Millimeter. Sie werden dem narkotisierten Patienten durch die Bauchdecke punktiert und hinterlassen später keine Operationsnarben und auch sonst kaum sichtbare Spuren. Bei Bedarf können weitere Sonden eingeführt werden, damit zum Beispiel ein Assistent Organe auf Distanz halten kann, um dem Operateur den Weg zu ebnen.

Chefarzt Dr. Klaus Kraft gilt als einer der Pioniere in dieser Operationstechnik. Seit Anfang der 90er-Jahre, zunächst am Stuttgarter Marienhospital, sammelt er Erfahrungen mit Eingriffen im Bauchraum, bei denen auf Schnitte durch die Bauchdecke verzichtet wird. Gestern gab Dr. Kraft in der Nürtinger Klinik im wahrsten Sinne des Wortes tiefe Einblicke dazu.

„Es ist ein Missverständnis des Begriffs, wenn man meint, wir schauen durch ein Schlüsselloch“, so Dr. Kraft. Vielmehr werden die Instrumente mittels kleiner Stiche durch die Bauchdecke eingeführt, meist in der Nähe des Bauchnabels. „Dort ist das Gewebe am dünnsten und von dort aus hat man den besten Blick in den gesamten Bauchraum“, erklärt der Chirurg. Und damit ist er schon bei einem aus seiner Sicht großen Vorteil. „Wir sehen mehr, weil wir mit der Kamera in jeden Winkel kommen und weil die Technik uns ein größeres Bild liefert.“ Ein nicht sehr ansehnliches, aber umso eindrucksvolleres Beispiel hat er in einem Film parat, der zeigt, wie der gesamte Bauchraum nach einem Dickdarmdurchbruch gesäubert werden muss. Dabei kommt er zu einem zweiten Vorteil: „Die Verunreinigungen haben der Bauchhöhle weniger an, könnten aber bei einem größeren Operationsschnitt zu Infektionen im Gewebe und damit zu ernsthaften Komplikationen führen.“ Ein positiver Nebeneffekt ist für Dr. Kraft die Möglichkeit, bei den Routineeingriffen weitere Diagnosen an benachbarten, eventuell ebenfalls erkrankten Organen stellen zu können.

So birgt für Dr. Kraft die Operationsmethode weit mehr als nur kosmetische Vorzüge. Dazu kommen die Vorteile nach der Operation. Der Patient hat kaum Wundschmerzen, ist schneller wieder mobil und belastbar, was vor allem nach Leistenbruch-Operationen eine Rolle spielt. Klinik-Direktor Norbert Nadler hebt die Wirtschaftlichkeit hervor: „Das entspannt die Pflegesituation, hohe Fallzahlen führen zu einem guten Ergebnis.“ Selbstverständlich freut er sich auch für die Patienten. Die Methode werde zunehmend geschätzt, die Kliniken Nürtingen und Kirchheim hätten Patienten aus einem Einzugsgebiet über die Kreisgrenzen hinaus.

Mit rund 1 000 operierten Leistenbrüchen pro Jahr, etwa 600 entfernten Gallenblasen und einer ebenso großen Zahl von Blinddarm- sowie Dickdarmoperationen, dazu noch Operationen am Magen, liege man weit über den Fallzahlen, die für die Zertifizierung gefordert wurden, so Nadler.

Bei einer Studie des Wissenschaftlichen Dienstes der AOK landete man bei 1 000 untersuchten Kliniken unter den besten 29 Hospitälern, was Gallenblasen-Operationen anbelangt. Bei den Fallzahlen belegte man sogar Platz eins.

Eine hohe Fallzahl ist denn auch für Dr. Kraft von großer Bedeutung. „Zu Beginn erfordert die Methode viel Übung. Das ist so, wie wenn man sein Leben lang mit der Gabel gegessen hat und es nun mit Stäbchen tun soll.“ Deshalb müsse man für die Methode offen sein, und deshalb sei er auch froh, mit Dr. Thomas Mayer-Lilienthal als Leitendem Oberarzt an der Klinik Kirchheim und Dr. Mario Reineke als Leitendem Oberarzt in Nürtingen in einem gut funktionierenden Team mit einem großen Erfahrungsschatz arbeiten zu können.

Durch Lehre und Forschung in der minimalinvasiven Chirurgie, einer weiteren Voraussetzung für die Zertifizierung, werden diese Erfahrungen ständig vergrößert und weitergegeben, was den guten Ruf der Kliniken in der Fachwelt, bei niedergelassenen Ärzten und letztendlich bei den Patienten festigt.