Kampala. Während seines Praktikums bei einem Weilheimer Bäcker hätte Roland Mohring sich wohl nicht vorstellen können, dass seine Brötchen, Brezeln und Weihnachtsbäckereien eines Tages auf dem Teller der First Lady von Uganda liegen werden. Noch weniger hätte er wohl
geglaubt, wenn ihm jemand prophezeit hätte, dass Claudia Schiffer im Londoner Stadtteil Richmond ausgerechnet in der Bäckerei einkaufen wird, für die er gerade arbeitet. Beides wurde wahr – und ist doch wie ein Traum für ihn.
Dass der in Weilheim aufgewachsene Roland Mohring sein in der neunten Klasse vorgegebenes Praktikum bei einem Bäcker absolvierte, hatte sich eigentlich eher zufällig ergeben. Dass er in der Limburgstadt tatsächlich auch eine Bäckerlehre absolvierte, war dann nicht mehr allzu überraschend, was sich daraus entwickelte schon.
Gleich nach seiner Ausbildung kehrte er nämlich seiner schwäbischen Heimat den Rücken, um im Londoner Stadtteil Richmond bei einem deutschen Bäckerehepaar zu arbeiten. Insgesamt war er zwei Jahre in „Swinging London“, das ihm unheimlich gut gefiel. Seit er jedoch Afrika kennengelernt hat, möchte er nicht mehr tauschen. Sein Aufenthalt in England war für ihn rückblickend bestimmt von Abenteuer- und Reiselust. Sein Engagement in Uganda ist dagegen wie eine Berufung für ihn und eng mit seinem Glauben verbunden.
Eine Nachbarin machte den heute 25-Jährigen schon vor zweieinhalb Jahren auf die Organisation aufmerksam, für die er heute arbeitet. Vier Monate war er dann in Uganda, um sich vor Ort erst einmal genau umzuschauen und dann in aller Ruhe zu entscheiden, ob er sich einen Umzug nach Afrika vorstellen könnte. Über ein Jahr verging, bis er endgültig nach Uganda zurückkehren konnte. Dazwischen war er aber nicht untätig gewesen, sondern hatte ein paar Monate in Rumänien verbracht. Er arbeitete dort bei einem Hilfswerk, das Jugendlichen von der Straße die Chance gab, sich zum Bäcker ausbilden zu lassen.
Seine Entscheidung für „Vision for Africa“ hat Roland Mohring bislang noch keine Sekunde bereut. Die Organisation kümmert sich um Waisenkinder, für die sie Kindergärten und Grundschulen vorhält und darüber hinaus jungen Leuten auch unterschiedliche Lehrberufe anbietet.
Roland Mohring lebt rund 40 Kilometer von der Hauptstadt Kampala entfernt auf dem Land. Das sogenannte „Land of Hope“, wo er wohnt und arbeitet, ist ein 65 Hektar großes, von Hütten und kleinen Dörfern umgebenes Gelände, das der Organisation 2003 kostenlos zur Verfügung gestellt wurde. Die Auflage dafür lautete, dass dort Schulen und soziale Einrichtungen gebaut werden müssen und das ist längst auch geschehen. Die Mitarbeiterwohnungen sind direkt über der Bäckerei, in der Roland Mohring arbeitet und zu der auch ein Café gehört.
Das Café ist der Mittelpunkt einer Art Dorf mit Kinderhäusern für Waisen, Kindergarten, Grundschule und einer Berufsschule, in der die jungen Leute verschiedene Lehrberufe erlernen können. Auch die Bäckerei und das Café sollen langfristig das Angebot der jetzt schon eingerichteten Ausbildungszweige erweitern. Neben Hunderten von Kindern leben auch die Lehrer und Mitarbeiter in dieser Gemeinschaft.
Zu den über 1 000 Dorfbewohnern gehören außer den vielen lokalen Kräften auch „Muzungus“, wie Weiße auf Kisuaheli bezeichnet werden: Ein paar wenige deutsche, österreichische und ein englischer Mitarbeiter leben und arbeiten dort sowie rund 15 europäische Volunteers, die in den Kinderhäusern mithelfen.
Während Roland Mohring in London mit einem Meister aus Schweinfurt, zwei Gesellen und dem Chefehepaar aus Leipzig eine verschworene deutschsprachige Gemeinschaft bildete, um Nacht für Nacht „aus einer relativ kleinen Bäckerei mengenmäßig möglichst viel herauszuholen“, arbeitet er in Uganda fast ausschließlich bei Tag. Nach zwei vergleichsweise stressigen Jahren im gnadenlosen Back-Akkord genießt er jetzt die afrikanische Gelassenheit und das Wissen, dass Europäer Uhren haben und Afrikaner Zeit.
Roland Mohring kümmert sich um die Herstellung der Produkte, schaut nach Bestellungen und Finanzen und sorgt mit seinen Helfern dafür, dass der Laden läuft. Nebenbei ist er bemüht, seinem Mitarbeiterteam möglichst viel beizubringen. Gleichzeitig versucht er im Gegenzug, seine europäische Mentalität der neuen Umgebung anzupassen und genauso zu leben wie alle auf dem Gelände von „Land of Hope“. Dazu gehört beispielsweise, dass auch er seine Wäsche von Hand wäscht.
Er geht immer wieder gerne ins naheliegende Dorf, um Leute zu treffen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen oder fährt gelegentlich auch nach Kampala ins Kino. Da es im „Land of Hope“ viele Mütter, aber vergleichsweise eher wenig männliche Bezugspersonen gibt, sind die Kinder dort sehr dankbar, wenn Roland Mohring und seine Freunde gelegentlich auch einmal mit ihnen Fußball spielen.
Das „Muzungu-Team“ ist auch in den umliegenden Dörfern bekannt, denn es hat bei einem lokalen Turnier sogar schon einmal eine Ziege gewonnen, die dann gemeinsam geschlachtet und gegrillt wurde.
Mit einem Freund zusammen hat Roland Mohring sich jetzt zwei Ferkel gekauft sowie ein paar Hühner und eine Pute. Die Tiere „wohnen“ direkt hinter einem der Waisenhäuser und bieten damit den Kindern eine gute Gelegenheit, Verantwortung zu übernehmen und sich um die ihnen anvertrauten Lebewesen zu kümmern.
Sehr gerne nutzt der gelernte Bäcker seine Freizeit dazu, gemeinsam mit den Kindern etwas zu unternehmen und macht sich oft auch viel Arbeit, um ihnen eine Freude zu bereiten. Bei der Abschiedsfeier für die Kindergartenkinder, die nach den Ferien in die Grundschule kommen, hat er für rund 300 Personen Kuchen gebacken und wurde mit seinen begehrten „Cakes“ schon von strahlenden Kinderaugen empfangen.
Beim Besuch der First Lady im „Land of Hope“ musste er sich freilich noch viel mehr ins Zeug legen, denn da lag die Zahl der zu bewirtenden Gäste bei etwa 1 500 und für die Frau des Staatsoberhaupts und den ehemaligen Erzbischof von Uganda gab es schließlich auch noch eine „Sacher“ mit auf den Weg.
Den Geistlichen kannte Roland Mohring schon von einem Besuch zu Beginn des Jahres von einer Safari mit einer älteren Frau aus Deutschland, die ihr Patenkind in Uganda besuchte. Den Aufenthalt beim ehemaligen Erzbischof Ugandas nutzten die beiden deutschen Gäste dazu, einfach schnell einmal „in den Kongo hinüberzuspazieren“ und auf dem Rückweg auch gleich noch den „Murchison Fall Park“ mit dem berühmten 43 Meter hohen Wasserfall des Viktoria-Nils zu besuchen.
Der wohl größte Erfolg in Roland Mohrings bisheriger afrikanischer Back-Karriere war der aktuelle Weihnachtsbasar, zu dem die Frau des Botschafters die in Kampala versammelten Diplomaten aus aller Welt geladen hatte, um seine Stollen, Plätzchen und Lebkuchen für einen guten Zweck zu verkaufen.
Bei seinem ersten Besuch in Uganda vor zwei Jahren war Roland Mohring die Welt des diplomatischen Corps noch verschlossen geblieben, dafür landete er im Gefängnis . . . Eine einheimische Mitarbeiterin von „Vision of Africa“, die ebenfalls auf dem Gelände von „Land of Hope“ wohnt und wöchentlich im Gefängnis von Kampala einen Gottesdienst abhält, hatte ihn damals einfach zu einer Entlassparty mitgenommen.
Mit seinen gerade einmal 25 Jahren hat Roland Mohring zweifellos schon sehr viel erlebt. Von seinen deutschen Bäckerkollegen können sicher nicht viele darauf verweisen, eine echte First Lady oder Claudia Schiffer zu ihren Kunden zählen zu können und zudem auch schon für rund 300 Gefangene Hefezöpfe gebacken zu haben. Dass das damals reibungslos geklappt hat und – trotz seiner anfänglichen Sorge tatsächlich exakt für alle gereicht hat – war für Roland Mohring „wie ein Wunder“.
Für die Weihnachtszeit hat der für seine backfrischen Brezeln und Laugenbrötchen, Stollen und Berliner bekannte Bäcker noch keine konkreten Pläne. Er hat zwar ein Tage frei, aber ein Heimflug steht nicht auf dem Programm. Wahrscheinlich wird er daher am Pool den Sonnenschein genießen und Lebkuchen essen.
