Lenningen. „Man sollte mal was machen“ – das war lange Zeit der Standardsatz, wenn sich die fünf Scheunenbesitzer bei Festen oder auf der Straße trafen. Doch die vage Floskel gehört jetzt der Vergangenheit an, denn am morgigen Samstag wird das Gemeinschaftsprojekt in die Tat umgesetzt: Heike und Stefan Gössel bitten im „Haberhaus“ zu Tisch, Heilmut Kwoka öffnet sein „Atelier für Ausdrucksmalen“, Monika Eiberger zeigt ihre „Blüten(t)räume“, Donatus Heermann seine „Historischen Gerätschaften, Fahrräder, Mopeds“ und Familie Flügel präsentiert „Schmuck, Antiquitäten, Kunstobjekte“.
„Jeder von uns hat seine Schätze in der Scheune“, verraten die fünf, die nicht nur die Liebe zu schönen Dingen und alten Bauernhäusern eint. Sie machten alle ähnliche Erfahrungen mit den Nachbarn. „Viele Menschen im Ort interessiert es, was wir da seit Jahren in unseren Scheunen wursteln, sie trauen sich aber nicht herein“, erzählt Monika Eiberger. Nun können alle – und nicht nur Schopflocher – guten Gewissens nach Herzenslust in jeden Winkel der großen Gebäude schauen und dabei vieles entdecken. Die Vorbereitung hat allen viel Spaß gemacht, auch wenn es viel Arbeit in den vergangenen Wochen bedeutete. Vor allem Donatus Heermann legte sich mächtig ins Zeug. Die Mitstreiter staunten nicht schlecht, als sie das Ergebnis sahen.
Letzter Auslöser für den Scheunensommer war das „Haberhaus“ in der Hinteren Straße 2. Heike und Stefan Gössel bauen es seit Jahren in Eigenregie um, jetzt sind zwei Etagen fertig. Erstellt wurde der markante Backsteinbau im Jahr 1900 als Speicher für Hafer, was auf gut schwäbisch Haber heißt.
Alte Häuser aus dem Dornröschenschlaf wachgeküsst
Nach Jahren im Dornröschenschlaf und der Frage Abriss oder Nichtabriss erstrahlt es nun wieder in neuem Glanz als Mietlokal. Der liebevoll gestaltete Gastraum hat 40 Sitzplätze und eine Küche und kann von jedermann gemietet werden. Der erste Stock ist das Reich von Heike Gössel, eine der Gästeführerinnen der Schwäbischen Landpartie. „Jetzt habe ich die Möglichkeit, hier meine Gäste auch zu bewirten“, freut sie sich. Diesen Part übernehmen sie und ihr Mann auch morgen von 14 bis 22 Uhr, ab 20 Uhr gibt es Livemusik.
Monika Eiberger und ihr Mann Wolfgang heißen die Besucher in der Raiffeisenstraße 13 willkommen. „Unser Haus sollte abgerissen werden. Die Nachbarn sprachen schon darüber, wo es einen Parkplatz geben sollte“, erzählt Monika Eiberger. Wegen der schönen Natur ist das Ehepaar von Esslingen auf die Alb gezogen und hat diesen Schritt noch keine Sekunde bereut. Mit ein Grund dafür ist die schöne Scheune, auch wenn sie vom Vorbesitzer eher pragmatisch als nach ästhetischen Gesichtspunkten – sie war Bootsgarage – umgebaut worden war. „Jetzt haben wir Platz für unsere gesammelten Schätze und können sie schön präsentieren“, sagt die Scheunenbesitzerin. Doch nicht nur Sammlerstücke sind hier zu sehen. Monika Eiberger stellt auch ihre Tonblüten und Flechtobjekte aus. Die Tonblüten bestehen aus echten Blumen, deren Farbe und Struktur der Ton konserviert und die sich vielseitige arrangieren lassen. Der Formenvielfalt ihrer Flechtwerke sind kaum Grenzen gesetzt. So verwendete sie beispielsweise Wabenrahmen, die sie vor dem Sonnwendfeuer rettete.
Nur wenige Schritte weiter wohnt Donatus Heermann, der Jäger und Sammler, wie er sich selbst bezeichnet. Viele schöne und besondere Dinge hat er vor dem Verschrotten oder der Müllhalde gerettet, die nun in der Raiffeisenstraße 2 zu sehen sind. Vor fünf Jahren hat er das Abrisshaus gekauft und richtet es nun Schritt für Schritt mithilfe seiner Kumpels wieder her. Sein Sammelschwerpunkt sind eindeutig technische Objekte. Neben Gasmasken an den Wänden sind viele historische landwirtschaftliche Geräte zu sehen, deren Verwendungsart Donatus Heermann nicht immer bekannt ist, weshalb er am Tag des offenen Scheunentors auf Aufklärung hofft. Im ersten Stock hat ein Freund ein altes Fiat-Cabrio zwischengelagert. „Das war ein ziemlicher Akt, bis wir den da oben hatten“, erzählt der Sammler lachend. Er selbst besitzt viele Fahrräder, aber auch alte Motorräder wie die orangefarbene Rikscha. „Ich brauch das ganze Zeug um mich rum. In einer Zweizimmerwohnung könnte ich nicht leben“, ist er glücklich in seinem Zuhause.
Eine völlig andere Scheunen-Welt treffen die Besucher bei Heilmut Kwoka in der Raiffeisenstraße 23 an. Er nennt ein „Atelier für Ausdrucksmalen“ sein Eigen, was unübersehbar ist. Überall hängen Bilder, die in seinen Kursen entstanden sind. „Das Erste, was fertig war, war der Malraum“, erzählt er. Für ihn ist es der zentrale Platz in seiner Scheune, fast schon ein meditativer Ort, denn Heilmut Kwoka malt im Sinne der Philosophie von Arno Stern. Der Pariser Kunsterzieher entwickelte eine besondere Form des Malens für Kinder. An einem sicheren Ort dürfen sie wertfrei via Kunst ihr Innerstes ausleben. Doch nicht nur Kinder schätzen diese Art des Malens, auch Erwachsene besuchen die Kurse von Heilmut Kwoka. „Dabei entstehen eigentlich Zwiegespräche mit einem selbst“, erklärt er. Am Samstag bietet er für Interessierte „Schnuppermalen“ an. Neben dem Malort gibt es noch Seminarräume zu entdecken und kleine Kostbarkeiten, die er im Haus gefunden hat.
Der Profi unter den Scheunensommer-Beteiligten ist Familie Flügel, die schon seit mehreren Jahren ihre Tore im Höfle 7 für Neugierige öffnet und ein Kässle zugunsten der Teckboten-Weihnachtsaktion aufstellt. Sind die großen Holztore geöffnet, lassen Glaselemente viel Licht ins Innere. Unikatschmuck aus echten Perlen und Steinen und aus eigener Werkstatt ziehen die Blicke magisch an. Sie konkurrieren mit antiken Möbeln und ausgefallenen Dekoartikeln für drinnen und draußen. Für weitere Lichtblicke sorgen ausgefallene Licht- und Kunstobjekte und zeigen, wie sich aus alten Scherben ungewöhnliche Effekte erzielen lassen. Auch die Rückseite der Scheune überrascht mit viel Glas zwischen dem Fachwerk und gibt den Blick frei auf einen verwunschenen Garten.
Familie Flügel heißt Gäste und Kunden am Samstag von 14 bis 22 Uhr willkommen, am Sonntag, 15. Juli, von 14 bis 18 Uhr. Heilmut Kwoka, Donatus Heermann und das Ehepaar Eiberger haben am Samstag von 14 bis 19 Uhr ihre Tore geöffnet, das Haberhaus von 14 bis 22 Uhr. Wer alle fünf Scheunen zu Fuß besucht, erkundet ganz nebenbei ein Stück Dorfgeschichte und lernt Schopfloch von einer liebenswerten Seite kennen. Hier bestehen noch die heimeligen Fußwege zwischen Häusern, Bauerngärten, „Mischte“ und Hofeinfahrten.