Jürgen von Bülow hat für das Naturtheater Grötzingen Molières „Der eingebildete Kranke“ inszeniert
Schauspieler erhalten ihre Freiheiten

Aichtal. Die Premiere rückt näher. Das Bühnenbild steht, die Bühnentechnik checkt Licht und Ton, die letzten Proben stehen an. Das Team des Naturtheaters Grötzingen (NTG), die Akteure ebenso wie die
 fleißigen Helfer hinter den Kulissen, fiebert dem Abend des Pfingstsamstags entgegen. Dann geht’s endlich los mit Molières „Der eingebildete Kranke“. Für Jürgen von Bülow ist die Arbeit dann getan. Der Regisseur, der in diesem Jahr das Erwachsenenstück am Naturtheater in Szene setzt, wird sich an diesem Abend – „schon auch ein bisschen nervös“, wie er sagt – das Stück ansehen. Dann hat der Regisseur seine Schuldigkeit getan, seine Dienste sind in dieser Saison nicht mehr gefragt.

Für Jürgen von Bülow ist es die erste Regiearbeit am Grötzinger Galgenberg. Und die erste unter freiem Himmel. „Ich finde es toll, Freilichttheater zu machen“, sagt er – auch wenn ihn, wie er schmunzelnd erzählt, die künstlerische Leiterin des NTG, Barbara Koch, gewarnt habe: „Du weißt noch gar nicht, wie es ist, wenn’s regnet.“

Für Bülow, den Stuttgarter, war das Aichtal schon vorher keine unbekannte Größe. Er habe, sagt er, die heute noch unvergessene Lucie Steiner gekannt, die Kunst ihres Mannes Luis Steiner bewundert und sich schon das eine oder andere Theaterstück, auch Kinderstücke, auf der Freilichtbühne am Galgenberg angesehen. „Da habe ich mir gewünscht, hier auch mal etwas zu machen“, sagt er.

Rolf Wenhardt, der Präsident des Landesverbands Amateurtheater, habe ihm den Tipp mit Aichtal gegeben, Barbara Koch habe ihm das Vertrauen geschenkt, hier arbeiten zu können. Das kommt nicht von ungefähr, schließlich ist Bülow (Jahrgang 1956) ein alter Theater-Hase. Als Statist und Kleindarsteller am Staatstheater in Stuttgart hat er in den Siebzigerjahren angefangen, später dort als Regieassistent Erfahrungen gesammelt. In der Folge war er als Drehbuchautor für Felix Huby und Roland Emmerich tätig. 1993 wurde er für seinen Kurzfilm „Replay“ mit dem Bundesfilmpreis in Silber ausgezeichnet und schrieb in den folgenden Jahren Drehbücher für TV-Serien wie „Marienhof“, „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“, „Disney Club“ und „Tiger­enten Club“. Seit 2008 betätigt sich Bülow außerdem mit Erfolg als Jugendbuch-Autor. In den bisher fünf Bänden der Reihe „Ich bin’s, Nika“ hat er die Erlebnisse eines jungen Mädchens mit den Härten des Showbusiness aufgearbeitet.

Hauptsächlich beim Kommunalen Kontakttheater Stuttgart und beim Theater Universität Hohenheim war er in den vergangenen Jahren bei zahlreichen Produktionen als Regisseur aktiv. In Hohenheim hat er 2002 schon mal Molières „eingebildeten Kranken“ auf die Bühne gebracht, das Stück ist ihm also bestens vertraut. Dennoch will er den Akteuren unbedingt die Freiheit zur eigenen kreativen Entfaltung lassen. Bülow: „Bei der Regie kommt es sehr aufs Fingerspitzengefühl an.“ Ein Konzept sollte man zwar schon haben, meint er. Auf der anderen Seite möchte er den Schauspielern keine fertige Idee überstülpen. „Ich versuche, mich in die Schauspieler hineinzuversetzen, möchte ihnen helfen, ihre Stärken herauszuarbeiten. Ich will, dass sie auf der Bühne richtig toll herauskommen.“

Bülow arbeitet sehr gern mit Amateuren. „Bei Amateuren ist man erstaunt, was herauskommt, wenn sie mit ihrer Begeisterung und ihrem hohen Einsatz zu Werke gehen. Das ist ihre besondere Stärke gegenüber Profischauspielern.“ Darüber hinaus ist er von der Professionalität angetan, mit der die Grötzinger ihren Theaterbetrieb zum Laufen bringen, und dem Idealismus, der die knapp siebzig Aktiven verbindet. „Die Leute hier kennen sich schon sehr lange. Sie leben für das Theater, das bringt ihnen sehr viel.“

Den „eingebildeten Kranken“ hat er, wie er sagt, „sehr unterhaltsam“ angelegt, „an manchen Stellen auch nachdenkenswert“. Damit entspricht die Inszenierung durchaus dem Naturell des Bühnenautors. Bülow: „Molières Situationen und Dialoge sind ungeheuer komisch. Doch er selbst wollte lieber Tragödien schreiben, und so steckt in jedem seiner Witze auch eine Tragik.“ Reinen Klamauk also dürfen die Zuschauer nicht erwarten. Bülow legte bei seiner Inszenierung auch besonderen Wert darauf, die zwischenmenschlichen Nuancen des Stücks herauszuarbeiten. „Gerade die Hassliebe zwischen dem eingebildeten Kranken Argan und seiner Haushälterin wird in vielen Inszenierungen vergessen. Die beiden sind urkomisch – wie ein altes Ehepaar beim täglichen Frühstücksstreit.“

Gesungen wird bei dem Stück übrigens auch. Drei Songs von Stefan Töppelmann werden von den Akteuren live zu Playback intoniert. Es ist also wieder allerhand geboten am Grötzinger Galgenberg. „Ich freue mich sehr auf die Premiere“, sagt Bülow, der in diesen Tagen mit den Schauspielern die letzten Feinheiten abstimmt. Wenn das Stück dann läuft, wird statt seiner Regieassistentin Kerstin Schürmann ein aufmerksames Auge auf das Bühnengeschehen haben. Und die ist wirklich nahe dran, schließlich spielt sie in dem Stück mit.

Info

Am heutigen Samstag um 20.30 Uhr hat „Der eingebildete Kranke“ Premiere; am Sonntag, 12. Juni, startet um 15 Uhr das Kinderstück „Der kleine Vampir“ (Regie: Barbara Koch); weitere Informationen gibt es im Internet unter www.naturtheater-groetzingen.de.