Als „OBin“ solle sie Schaden von den Bürgern abwenden, sagte Angelika Matt-Heidecker beim Start der 4. Pacemakers-Regio-Rad-Tour vor dem Kirchheimer Rathaus. Deshalb sei sie der Vereinigung „Mayors for Peace“ mit voller Überzeugung beigetreten. Sie fuhr ein Teilstück der Tour gegen Atomwaffen mit.
Kirchheim. Geht es nach Matt-Heidecker, ist die Welt 2020 eine Welt ohne Atomwaffen. Dieses Anliegen teilt sie mit inzwischen mehr als 5000 „Bürgermeistern für den Frieden“ in über 150 Ländern. In der Region schlossen sich jüngst Wendlingens Bürgermeister Steffen Weigel und Wernaus Bürgermeister Armin Elbl der Initiative an. Auch die Landräte Heinz Eininger vom Kreis Esslingen und Edgar Wolff vom Kreis Göppingen gehören dazu. Letzterer schwang sich ebenfalls aufs Rad.
Rund 50 weitere Radfahrer waren dem Aufruf der Zukunftswerkstatt Kirchheim und anderer Friedensgruppen zur Fahrradtour für die Abschaffung aller Atomwaffen gefolgt. Sie führte über Ebersbach und Plochingen nach Esslingen, dann nach Wendlingen und Nürtingen und schließlich zurück nach Kirchheim. Unterwegs wechselten die Teilnehmer immer wieder, sodass insgesamt rund 80 Radler beteiligt waren – dazu vier Polizisten auf Motorrädern und Fahrrädern.
„Weltweit lagern rund 20 000 Atomwaffen, viele davon jederzeit einsatzbereit“, sagte Klaus Pfisterer von der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) bei einer Kundgebung zu Beginn. Mindestens 20 seien in Büchel in der Eifel stationiert. Zwar sprach sich der Deutsche Bundestag im März 2010 für deren Abzug aus, doch passiert sei noch nichts, trotz eines Versprechens von US-Präsident Barack Obama. Nicht nur die USA erwägen eine Modernisierung ihres Atomwaffenarsenals. „Die Ausgaben für Atomwaffen werden im Jahr 2012 weltweit mehr als 100 Milliarden US-Dollar betragen.“
Die Tour, so Pfister weiter, erinnere auch an die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki vor 67 Jahren, bei denen über 300 000 Menschen starben. Der Atomwaffensperrvertrag müsse von allen Staaten, auch von Israel, unterzeichnet werden, forderte Pfisterer. „Wir sind empört darüber, dass Israel weiter mit U-Booten beliefert werden soll, die mit Nuklearwaffen bestückt werden können.“ Die neun offiziellen Atomstaaten müssten ihre Arsenale weiter abbauen und es dürften keine neuen Atomstaaten hinzukommen.
„Im Radsport sind Pacemaker die Schrittmacher“, sagte Karl-Heinz Wiest von Pax Christi Kirchheim. Auch in der Friedenspolitik seien Schrittmacher dringend nötig. „Wenn die alten Atommächte USA und Russland nicht endlich Ernst mit der Abrüstung machen – wie soll man dann glaubwürdig andere Staaten von einem Aufbau oder Ausbau eigener Atomwaffenarsenale abhalten?“ Frieden entstehe auch im Nahen und Mittleren Osten nur durch eine Politik der Verständigung und des Ausgleichs. Was vor Jahrzehnten die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa angestoßen habe, könne ein Vorbild sein für eine ähnliche Konferenz im Nahen und Mittleren Osten. „Es ist an der Zeit, dass diese Konferenz endlich begonnen wird. Es ist aber nicht an der Zeit, das Pulverfass Nahost durch weitere Waffenlieferungen aufzurüsten.“
Der katholische Pfarrer Franz Keil erbat für die Teilnehmer der Tour den Segen Gottes, dann ging es in angenehmem Tempo los. Erste Station mit Obst und Getränken war das Ebersbacher Rathaus. „Wer die Welt verändern will, muss etwas dafür tun“, sagte Bürgermeister Sepp Vogler unter der wehenden Flagge der Mayors for Peace. „Die Tage, in denen Atomwaffen etwas zur nationalen Sicherheit beigetragen haben, sind lange vorbei.“ Mögliche Unfälle, Terrorismus und militärische Fehlentscheidungen machten diese Waffen hoch gefährlich.
Von einem kurzen Regenguss bei Plochingen ließen sich die Radler nicht aufhalten. In Esslingen wurden sie von OB Jürgen Zieger begrüßt. Margit Sandig vom Friedensbündnis Esslingen kritisierte die Vorstellung, dass „gute Länder eher Atomwaffen haben dürfen als böse Länder.“ Mit Beispielen zeigte sie die dunklen Flecken auf der weißen Weste angeblich guter Länder auf. „Ich glaube, dass es an der Zeit ist, die Maske der Überheblichkeit vom Gesicht zu nehmen. Es gibt keine guten Länder, schon gar nicht in Bezug auf Atomwaffen.“
In Wendlingen zitierte Bürgermeister Steffen Weigel den früheren US-Botschafter in Russland, Thomas Pickering: „Weil Atomwaffen nur teuer und nutzlos und gefährlich sind, ist ihre Abschaffung erkennbar keine schlechte Idee.“ Eine Überzeugung, die an der letzten Station vor der Rückkehr nach Kirchheim auch der Nürtinger OB Otmar Heirich vertrat.