Kirchheim. Während sich Gregor Straub um halb elf bereits zu seinem ersten Gedächtnistraining mit den Kindern im Veranstaltungssaal einnistete, konnten die Eltern gleichzeitig an der Podiumsdiskussion zum Thema „Herausforderung Bildung“ im Foyer des Bohnauhauses teilnehmen. Unter der Moderation von Joachim Manz (KAB) wurde ein kompetentes Podium vorgestellt: Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker, die SPD-Landtagsabgeordnete Sabine Fohler, Landeselternbeiratsvorsitzender Matthias Fiola und der stellvertretende Landesschülerbeirat Simon Windmiller aus Ulm.
Da sich die KAB für soziale Gerechtigkeit und damit gegen die strukturelle Benachteiligung von Familien einsetzt, wurde das Thema Bildung innerhalb der Familien herausgestellt. Einen Schwerpunkt setzte das Podium auf Migrantenfamilien, die allein schon durch ihre Sprachschwierigkeiten in den Brennpunkt gelangen. Besonders hier, aber auch in deutsche Problemfamilien, sollte der Fokus auf dem Wohlergehen des Kindes liegen.
Zu Beginn der Diskussion wurde ein afrikanisches Sprichwort angeführt: Für die Erziehung eines einzelnen Kindes sei ein ganzes Dorf notwendig. Landtagsabgeordnete Sabine Fohler sieht die soziale Gemeinschaft in einer moralischen Pflicht der Jugend gegenüber. Ein Heranwachsender müsse die Möglichkeit haben, sich vertrauensvoll mit seinen Fragen an Erwachsene zu wenden – auch über Schule und Elternhaus hinaus. Leider würde genau diese Art von Gemeinschaft heute fehlen.
Schirmherrin Angelika Matt-Heidecker fühlt sich innerhalb der Kommunen ins „operative Geschäft“ einbezogen. Der Ausbau der Ganztagsbetreuung an Schulen sei seit der Bildungsoffensive 2007 in Kirchheim beträchtlich vorangeschritten. Im Haushaltsjahr 2011 könne sie jedoch 9,9 Millionen, also „nur“ 11,3 Prozents des Gesamthaushalts, für Bildung und Betreuung zur Verfügung stellen. Und selbst mit elterlicher Hilfe bei der Organisation der Schülermensa sei das lange nicht genug.
„Schule muss ein Lebensraum sein, um weitere Kompetenzen neben der Allgemeinbildung zu erwerben,“ sagte Matt-Heidecker. Hier stimmten ihr Matthias Fiola und Sabine Fohler gerne zu. Die Gesellschaft zwinge zu einem frühen Erlernen von interkulturellen Kompetenzen auf sozialer, ökologischer, technischer, ökonomischer, historischer und juristischer Ebene. Dies hat sich Simon Windmiller auch erst außerhalb der Schule in Sportvereinen erarbeiten müssen. Erst da habe er seine eigene Verantwortung gegenüber seiner Generation erkannt und will nun mehr Schüler motivieren, sich im Rahmen der SMV zu engagieren: „Die SMV ist ein zentraler Punkt für das Erlernen von Kompetenzen und Demokratie. Sie holt die Realität in die Schule.“
Die Schule selbst kann aber nicht allein für die Erziehung verantwortlich sein. Eltern müssen sich ebenso für ihre Kinder einsetzen und interessieren, wie auch das Land. Von Elternbeiräten aus dem Publikum erklangen kritische Stimmen zur Unterbesetzung an Schulen. Von einem halbjährlichen Unterrichtsausfall in einigen Fächern war die Rede. Sabine Fohler sieht hier eine klare Bringschuld vom Land: „Für die Basics, besonders einen Lehrerersatz im Krankheitsfall, muss gesorgt werden.“ Ein Abbau an außerschulischen Aktivitäten wie AGs müsse der Regierung von den Eltern mitgeteilt werden.
Eine Ganztagsschule dürfe kein Aufbewahrungsort für Kinder berufstätiger oder desinteressierter Eltern we rden, sondern ein „Ort, wo man mit Freude lehren, lernen und arbeiten kann,“ betonte Matthias Fiola.