Kirchheim. „Hallo, haben Sie zwei Minuten Zeit?“ Die junge Frau in der Kleidung des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) marschiert geradewegs in die Hauseinfahrt hinein. Von einem „Nein“ lässt sie sich nicht abschrecken. „Sie werden ja wohl zwei Minuten Zeit haben“, drängt sie, zieht ihren Ordner hervor und stellt sämtliche Angebote des ASB vor. „Durch den Wegfall des Zivildienstes ist der zweitgrößte Anbieter im Bereich Notfallrettung jetzt in seiner Existenz bedroht“, behauptet sie und berichtet, dass eine ASB-Geschäftsstelle im Großraum Stuttgart bereits schließen musste. „Würden Sie für den ASB spenden?“, fragt sie dann. Auf das erneute „Nein“ und den Hinweis, an der Haustüre nie etwas abzuschließen, reagiert die junge Frau in ASB-Kleidung entnervt. „Wir sind doch nicht die Zeugen Jehovas, sondern ein gemeinnütziger Verein“, sagt sie. Nur kurz verlässt die junge Frau dann die Hauseinfahrt und wartet hinter der Hecke. Als die Luft rein ist, versucht sie ihr Glück noch einmal – an der gleichen Haustüre.
Diese Szene hat sich so in einem Wohngebiet in Kirchheim abgespielt. In ganz Deutschland und eben auch rund um die Teck wirbt der Arbeiter-Samariter-Bund immer wieder um Mitglieder. Das bestätigt Anika Graf, Pressesprecherin des ASB-Landesverbands, und räumt ein: „Wir sind ein Stück weit auf solche Haustürgeschäfte angewiesen.“
Das Vorgehen und die Aussagen der fraglichen jungen Frau kritisiert sie jedoch ebenso wie ASB-Landesgeschäftsführer Lars-Ejnar Sterley. „Es ist nicht der Fall, dass sich der ASB in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage befindet“, widerruft Sterley die Aussage der Werberin. Notwendig sei die Mitgliederwerbung lediglich, um die Mitgliederzahl konstant zu halten. Die Beiträge brauche der ASB auch nicht, um den laufenden Haushalt zu finanzieren. „Mit ihnen werden neue Projekte für Jugendliche und Senioren vor Ort unterstützt“, sagt Sterley.
Dass falsche Fakten verbreitet werden und Druck ausgeübt wird, führen Pressestelle und Geschäftsführung darauf zurück, dass die Frauen und Männer, die von Klingel zu Klingel ziehen, keine Mitarbeiter des Arbeiter-Samariter-Bunds sind. „Wir haben externe Werbefirmen damit beauftragt“, sagt Anika Graf. Deren Mitarbeiter würden mit ASB-Kleidung ausgestattet und vom Landesverband geschult. Ihre Arbeitgeber bezahlten sie jedoch nach Erfolgsquote. Daher stünden sie oftmals unter großem Druck. Der ASB toleriere aufdringliches Verhalten und das Verbreiten falscher Botschaften zwar nicht. „Leider sind aber immer wieder schwarze Schafe dabei“, bedauert Lars-Ejnar Sterley und betont: „Wenn so etwas vorfällt ist es wichtig, dass wir von der Bevölkerung informiert werden.“ Dann sorge der ASB dafür, dass solche Mitarbeiter aus dem Dienst genommen würden.
Tatsächlich handle es sich bei den Haustürgeschäften auch nicht um Spendensammlungen, sondern um Mitgliederwerbung. „Wenn Spenden für eine Spendendose gefordert werden, ist Vorsicht angebracht“, sagt Anika Graf. Bargeldsammlungen führe der ASB nämlich keine durch. Was eine Mitgliedschaft beim ASB angeht, kann sie nicht nur an der Haustür, sondern auch auf anderen Wegen abgeschlossen werden, beispielsweise im Internet. Den Betrag, den die Mitglieder jährlich zahlen wollen, können sie selbst festlegen. „Das Minimum beträgt 24 Euro“, sagt Lars-Ejnar Sterley. Ganz bewusst habe sich der ASB für die Freiwilligkeit entschieden und nehme geringere Beträge in Kauf. „Es hilft uns nicht, wenn jemand kündigt, weil es ihm zu teuer ist.“ Genau darum würden auch neue Mitglieder, die sich an der Haustür für größere Beträge entschieden haben, routinemäßig angerufen und gefragt, ob sie mit der Beitragshöhe tatsächlich einverstanden oder „überredet“ worden seien.
Der ASB sei übrigens bei Weitem nicht der einzige Wohlfahrtsverband, der Mitglieder an der Haustüre wirbt. „Viele andere machen das auch“, betont Pressesprecherin Anika Graf.