Reiseberichte

Unbekannt und verkannt

Kalabrien – eine Entdeckungsreise

Foto: Günter Tannenberger

Kalabrien wird auch von den Norditalienern immer etwas belächelt, ist es wirtschaftlich gesehen die ärmste Region Italiens und hat neben Rom, der Toskana oder Mailand auf den ersten Blick nicht viel zu bieten. Dabei kann die Region auf ein reiches griechisches und römisches Erbe zurückblicken. Sogar der berühmte Mathematiker Pythagoras lebte einst hier. Es gibt bislang kaum große Hotelanlagen, eher kleine Hotels, private Ferienwohnungen und Campingplätze, und so ist die Region noch vom Massentourismus weitgehend verschont. Deshalb ist die Stiefelspitze für diejenigen interessant, die etwas Neues entdecken wollen und das wahre Italien suchen, denn der Ursprung Italiens liegt in Kalabrien. Gleich zwei Reisegruppen des Teckboten hatten dies nacheinander im Sinn und gingen am südlichsten Zipfel Italiens auf Entdeckungsreise, denn Kalabriens vielfältige Reize liegen oft nicht im Offensichtlichen.

Das Meer und die kristallklaren Gewässer des Tyrrhenischen und Ionischen Meeres locken die meisten Besucher hierher zum Baden, Tauchen, Schnorcheln und Segeln. Sonnenschein pur, eine 800 Kilometer lange abwechslungsreiche Küstenlinie voller sonniger Strände, oft in spektakulären Felsbuchten, tun ein Übriges. Das Hinterland Kalabriens ist zerklüftet mit hohen Bergen, tiefen Schluchten, mit Wäldern, Seen und Flüssen. In diesem waldreichen Hinterland findet der Besucher noch authentische, unverfälschte Dörfer und Städte und eine fast unberührte Flora und Fauna und natürlich auch die uralten Olivenhaine. In dieser abgeschiedenen Gegend befinden sich auch mehrere Nationalparks, in denen man sich fast in den heimischen Schwarzwald versetzt fühlt, so wie im Sila-­Nationalpark, der an einem Nachmittag besucht wurde. Wandern und Radfahren in den Nationalparks ist inzwischen ein angesagter Zeitvertreib, und selbst Wintersport ist im südlichsten Zipfel Italiens auf 2000 Meter hohen Bergen tatsächlich möglich. Der Rest der hügeligen Landschaft ist geprägt von Bergamotte, Zitrusplantagen und Olivenhainen.

Neben der faszinierenden Natur und den zahlreichen Stränden Kalabriens gab es auch einladende und geschichtsträchtige Orte zu entdecken.

Tropea ist eine der schönsten mittelalterlichen Städte Kalabriens, deren Altstadt spektakulär auf einer hohen Klippe über dem Meer liegt. Enge Gassen mit pastellfarbenen Häusern, hübschen Cafés, Restaurants, Kirchen und alten Palästen verleihen der Stadt einen bezaubernden Charme und haben Tropea zum beliebtesten Ferienorten in Kalabrien gemacht.

Das Capo Vaticano gilt als das schönste Küstengebiet Italiens und bietet dem Besucher eine spektakuläre Aussicht auf die zerklüfteten Felsen der Küste und über das azur und türkis schimmernde kristallklare Wasser. Oft sind sogar die ­Äolischen Inseln zu sehen.

Das Fischerdorf Scilla zählt zu den schönsten Orten an der Costa Viola und ist Zentrum des Schwertfischfangs. Ein Spaziergang durch das verschachtelte Fischerviertel Chianalea ist ein Muss für jeden Besuch.

In Cosenza beindruckt nicht nur der romanische Dom, sondern auch die Altstadt mit den ungewöhnlich vielen beeindruckenden Adelspalästen. Es ist wie ein Spaziergang durch die Jahrhunderte. Ein trauriger Spaziergang allerdings, denn viele der Paläste sind mittlerweile unbewohnt, fast alle alteingesessenen Geschäfte am Corso Telsio haben geschlossen. Die Paläste sind nur noch ein trauriges Abbild ihrer einstigen Pracht, da sich niemand um deren Erhalt kümmert und den stetigen Verfall aufhält.

Das Küstenstädtchen Pizzo, das ebenfalls auf einer Klippe am Meer liegt, hat eine kulinarische Besonderheit. Hier wurde das Tartufo-Eis erfunden, das in unzähligen Eisdielen angeboten wird. Ein guter Grund, den Stadtrundgang zu ­unterbrechen.

Reggio Calabria ganz im Süden liegt an der Straße von Messina, der nur 3,5-km-Meerenge, die das italienische Festland von Sizilien trennt. Eine Stadt mit imposanten Bauwerken, einer traumhaften Promenade und einer Einkaufsstraße mit sehr exklusiven Boutiquen, die Ziel vieler Besucher ist. Außerdem wurde Gianni Versace hier geboren. Etwas bedeutender ist das archäologische Museum, in dem sich zwei überlebensgroße griechische Bronzefiguren aus dem fünften Jahrhundert befinden, die als einer der größten Schätze Süditaliens gelten.

Und dann ist da noch die kalabrische Küche. Urlaub in Kalabrien ist immer auch eine Reise voller kulinarischer Tradition und Leidenschaft. Neben der obligatorischen Pasta gibt es viel fangfrischen Fisch, wie Thun- oder Schwertfisch, andererseits aber auch zahlreiche leckere Fleisch- und Pilzgerichte. Es ist eine deftige, aber immer frische und sehr vielfältige Hausmannskost, zu der es immer den für die Region typischen einfachen Landwein gibt. Nicht zu vergessen, die für diese Region typische, rote Zwiebel, die es überall in Kalabrien zu kaufen gibt. Kein Essen ohne die Zwiebel, die es in allen Variationen, und sogar als Marmelade, gibt.

Kalabriens vielfältige kulturelle, kulinarische und landschaftliche Reize wurden während beider Leserreisen nicht nur entdeckt, sondern auch in vollen Zügen genossen, was sich nicht nur auf die kulinarischen Genüsse beschränkt. Zwar blieb für beide Reisegruppen wenig Zeit für Strand und Meer, aber das ist bei einer Entdeckungsreise zu verschmerzen, denn eine Woche war kaum ausreichend, um das ursprüngliche Italien in all seinen Facetten zu entdecken. Text und Bilder: Günter Tannenberger

Foto: Günter Tannenberger
Foto: Günter Tannenberger
Foto: Günter Tannenberger
Foto: Günter Tannenberger
Foto: Günter Tannenberger
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Foto: Günter Tannenberger
Foto: Günter Tannenberger
Foto: Günter Tannenberger
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