Zum Leserbrief „Die Linde und das Sichtfachwerk“ vom 31. Dezember
Peter Bodo Schöllkopf, seines Zeichens Architekt, hat wohl zu Beginn des neuen Jahres seinem Unmut über die „historisierenden Kirchheimer Vereine“, wie er sie nennt, mit einem Leserbrief Luft verschafft. Wir - die „Initiative historisches Kirchheim“ - freuen uns über diese Herausforderung, so wie wir uns immer freuen, wenn sich Bürger - Profis oder Nichtprofis - der Frage stellen, wie das historische Fachwerk in Kirchheim - etwas vom Wertvollsten, was die Stadt architektonisch zu bieten hat - erhalten und weiterentwickelt werden kann. Herr Schöllkopf schreibt unter anderem über die Meinung der Vereine, „dass die Fassaden früher Sichtfachwerk waren und dann wieder verputzt wurden, ist falsch“. Ein Blick in den Stadtgeschichtsband „Kirchheim unter Teck - Marktstadt, Amtsstadt, Mittelzentrum“ von 2006 reicht aus, um diesen Irrtum aufzuklären.
Dort heißt es: „Die neu erbauten öffentlichen Gebäude, sowie die Bürgerhäuser entstanden (nach dem großen Stadtbrand von 1690) mit steinernem Unterstock und Fachwerkbauten“, bei Wohlhabenden wurden sie „mit Zierfachwerk . . . versehen“ (Seite 369). Kostspielige Verzierungen an den Fachwerkschwellen und -ständern, den Kopfwinkelhölzern, in den Gefachen und so weiter, die heute noch bewundert werden, hätte man gewiss nicht anbringen lassen, wenn sie danach nicht sichtbar gemacht, sondern sofort unter Putz gelegt worden wären. Das Rathaus von 1724, ein dreistockiger Fachwerkbau (Seite 367), der letzte Bau dieser Art, wurde bereits 1739 als erster unter Putz gelegt (Seite 369). Ihm folgten die anderen Fachwerkbauten der Stadt; Brandschutz, vom Herzog befohlen, und ein verändertes Modeempfinden waren ausschlaggebend dafür. Die später errichteten Fachwerkneu-, -auf- und -anbauten wurden nur noch mit unverziertem konstruktivem Fachwerk errichtet, das sofort unter Putz gelegt wurde. Diese Zusammenhänge sind viel zu wenig bekannt, was selbst bei Fachleuten zu Fehleinschätzungen führt.
Günther Erb, Kirchheim