Dettingen/Owen. Eigentlich wären sie die beste „Therapie“ für alle, die schlechte Laune haben: Wer den beiden Freundinnen Emma und Sina
gegenübersitzt, hat schon nach kurzer Zeit und ganz automatisch ein Lächeln im Gesicht. Denn die sieben und neun Jahre alten Mädchen und „allerallerbesten Freundinnen“, wie Emma sagt, stecken jeden mit ihrer fröhlichen Art an.
Dabei ist die Freundschaft zwischen den beiden nicht ganz unkompliziert – denn Emma sitzt im Rollstuhl. Seit ihrer Geburt kann das lebensfrohe, aufgeweckte Mädchen, das zu früh auf die Welt gekommen war, nicht gehen. Doch für Emma und Sina scheint dies kein Problem darzustellen. Ihrer Freundschaft tut die körperliche Behinderung keinen Abbruch.
Kennengelernt haben sich die beiden Mädchen im September 2011 in der Verbundschule in Dettingen. Während Emma dort die Schule für Kinder mit Körperbehinderung besucht, wird Sina an der Sprachheilschule unterrichtet. Auch sie ist ein Frühchen, wie ihre Mutter Isabel Wall aus Dettingen sagt. Im Kindergarten hatte Sina mit Sprachproblemen zu kämpfen. Deshalb entschieden sich ihre Eltern dafür, dem Mädchen an der Verbundschule eine intensivere Betreuung zukommen zu lassen. Mittlerweile sind die Sprachprobleme im Griff, weshalb Sina im Anschluss an die Sprachheilschule eine Regelschule besuchen wird, fügt Isabel Wall hinzu.
Die Freundschaft der beiden Mädchen entwickelte sich beim Pausensingen und beim gemeinsamen Spielen im „Käsehaus“ der Verbundschule. Sina fand Emma immer schon „besonders süß“, und umgekehrt haben es Emma „Sinas Zöpfe“ angetan. „Die beiden verstehen sich einfach gut – auch ohne Worte“, sagt Emmas Mutter Beate Tress aus Owen. Sina unterstützt Emma außerdem in unterschiedlichen Situationen in der Schule: Sie hilft ihr zum Beispiel beim An- und Ausziehen der Jacke. Außerdem bringt sie ihre Freundin nach der Pause wieder zurück ins Klassenzimmer.
„Sina macht das richtig klasse. Sie trägt Emma auch manchmal und kümmert sich um das Festgurten im Rollstuhl“, erzählt Beate Tress. Doch umgekehrt ist auch Emma für Sina eine Bereicherung: Die unbekümmerte Art von Emma tut der Neunjährigen, die im Vergleich ein eher ruhigeres Mädchen ist, überaus gut.
„Diese Freundschaft gibt beiden Selbstbewusstsein“, sagt Beate Tress. Emma würde allein schon durch das Wissen profitieren, überhaupt eine Freundin zu haben. „Das ist ganz wichtig“, unterstreicht ihre Mutter.
Sie und Isabel Wall haben auch beobachtet, dass die beiden Mädchen manchmal ihre ganz eigene Sprache sprechen und die Erwachsenen dann sozusagen außen vorlassen. „Sie haben immer etwas zu gackern und finden oft Dinge lustig, hinter die wir nicht kommen“, erzählt Isabel Wall schmunzelnd.
Dass sich die Mädchen gut verstehen, blieb auch den Lehrern der Verbundschule nicht verborgen. „Eines Tages sprach mich eine Lehrerin an und erzählte, dass die beiden immer so schön miteinander spielen“, erinnert sich Beate Tress. „Sie meinte, es könnte sich eine Freundschaft entwickeln und man solle sich doch mal kurzschließen.“ Doch dass sich die Eltern und Lehrer „einmischen“, war gar nicht notwendig. Denn Sina und Emma schafften es ganz alleine, sich auch außerhalb der Schule zum Spielen zu verabreden. „Sina hatte einen Zettel mit ihrer Telefonnummer in Emmas Schulranzen gesteckt“, erzählt Beate Tress. Leider fehlte eine Zahl – doch dann deponierte einfach Emma einen Zettel mit ihrer Nummer im Schulranzen von Sina. Und so kam es zum ersten Treffen im Garten der Familie Tress in Owen. Seither sehen sich die Mädchen nicht nur in der Schule, sondern auch regelmäßig an den Wochenenden.
Anfangs hatte Isabel Wall noch ein wenig Berührungsängste: Damals wollte Sina Emma zu ihrem Geburtstag einladen. „Ich kannte das Mädchen noch nicht und wusste nicht, worauf ich achten muss“, erzählt sie. Doch schnell wurde ihr klar, dass der Umgang mit dem Mädchen im Rollstuhl überhaupt nicht schwierig ist. „Ich muss nur darauf achten, dass sie stabil am Tisch sitzt. Außerdem trage ich sie die Treppe zum Kinderzimmer rauf und wieder runter“, sagt Isabel Wall.
Von der Freundschaft jedenfalls profitieren nicht nur Emma und Sina, sondern auch ihre Mütter. „Wir können uns austauschen und über unsere Probleme reden“, sagt Beate Tress. „Wir sind sehr froh darüber, dass sich die Mädchen so gut miteinander verstehen.“