Kopfschütteln bei Kreisräten und Landrat zu Vorstoß des Esslinger Oberbürgermeisters
Sind Landkreise in der Region überflüssig?

Die Landkreise als politische Ebene sind ineffizient und deshalb überflüssig. Diese provokante These äußerte Esslingens Oberbürgermeister Dr. Jürgen Zieger jüngst. Bei den Kreistags-Fraktionsvorsitzenden aus dem Verbreitungsgebiet und bei Landrat Heinz Eininger trifft dieser Vorstoß allerdings auf Unverständnis.

Kreis Esslingen. Zieger favorisiert die Idee der Regionalstadt mit der Kernstadt Stuttgart und eigenständigen Umlandkommunen. Gleichzeitig soll die Region Stuttgart mit ihrer Regionalversammlung als politische Vertretung weiter existieren und Aufgaben der Landkreise wahrnehmen.

„Konzeptionslos und unausgegoren“, so der Kommentar von Landrat Eininger auf Nachfrage. Zieger wolle die Landkreisstrukturen als Verwaltungseinheit zwar belassen, jedoch ohne den Kreistag als politische Vertretung. Das widerspreche dem Grundgesetz, das den verfassungsmäßigen Verwaltungsebenen eine Volksvertretung garantiere. „Alles andere wäre ein Rückfall in feudale Zeiten mit einem königlichen Oberamtsmann“, so Eininger.

Dass mit dem Wegfall des Kreistags gespart werden und die Kommunen profitieren könnten, verwirft Eininger. Schließlich würden die Aufgaben nicht weniger. Von deren Verteilung profitiere auch Esslingen, angefangen vom Gesundheits- und Sozialwesen über den Personennahverkehr bis hin zu den beruflichen Kreisschulen. Unter dem Strich käme sicher mehr für Esslingen rüber, als die Stadt Kreisumlage zahle.

Eininger erinnert auch an den Grundsatz der gleichwertigen Lebensverhältnisse. Überall dort, wo Kommunen überfordert seien, nähmen die Kreise Aufgaben wahr. Ansonsten gelte das Subsidiaritätsprinzip, also die Stärkung der Selbstbestimmung und Eigenverantwortung. „Das entspricht auch der Forderung nach Bürgerbeteiligung.“

Auch der Nürtinger Kreisrat Alfred Bachofer, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler, nimmt kein Blatt vor den Mund: „Ein unausgegorener Luftballon“ sei der Vorstoß. Zieger widerspreche sich selbst. Eine große Regionalstadt sei fast identisch mit der Region Stuttgart, somit auch ein Stuttgarter Gemeinderat und eine Regionalversammlung. „Und Dr. Zieger wäre nichts weiter als ein Ortsvorsteher dieses Mammutgebildes, in dem jede örtliche Verbundenheit verloren geht“, so Bachofer. Die Kommunen in Baden-Württemberg seien das Rückgrat, aus denen heraus die Entwicklung des Landes gedeihe.

Martin Fritz, Großbettlinger Kreisrat und CDU-Fraktionsvorsitzender, dazu: „Die Bürger interessieren sich am meisten für ihre unmittelbare Umgebung.“ Je weiter weg die entscheidende Ebene sei, desto weniger Bindung und Akzeptanz sei zu erzielen. Der Kreis leiste viel, auch für Esslingen. Die Abfallwirtschaft zum Beispiel oder auch das Berufsschulwesen seien ein Erfolgsmodell. „Das ist ein Geben und Nehmen zwischen dem Kreis und seinen Kommunen.“

Marianne Erdrich-Sommer, Fraktionsvorsitzende der Grünen, sieht es ähnlich: „Überschaubare Ebenen haben Vorteile.“ Die Subsidiarität sollte von der europäischen über die Bundes- und Landesebene bis zu den Kommunen gewahrt bleiben. „Oberbürgermeister Jürgen Zieger macht ein riesiges Fass auf“, bedauert Erdrich-Sommer. Das brächte Probleme bei der Verteilung von Aufgaben ebenso wie von Finanzströmen. Schon jetzt sei der kommunale Finanzausgleich undurchsichtig. Der Vorstoß stärke nicht Transparenz und Demokratie.

In dieses Horn stößt auch der Nürtinger Kreisrat Peter Rauscher (Die Linke): „Im Neo-Liberalismus der britischen Thatcher-Regierung wurde zum Beispiel auch unsere Partnerstadt ein Kunstgebilde, doch hat das der demokratischen Mitbestimmung ebenso wie der Selbstbestimmung und der Erledigung von Aufgaben geschadet.“

Alle Angesprochenen weisen da­rauf hin, dass das Konstrukt der Region im Land alleine dastehe. Nur einige Kreise abzuschaffen, mache die Verwirrung perfekt. Vielmehr müsse man sich überlegen, welchen Sinn die Region mache.