Steingau-Quartier
So ist Wohnen im Steingau-Quartier Kirchheim

Stadtentwicklung Nach fünf Jahren ist das Steingau-Quartier immer noch eine halbe Baustelle, trotzdem ist es beliebt bei Familien. Einige Bewohner verraten, wieso. Von Antje Dörr

Am Wetter kann es nicht liegen. Als der Fotograf und die Reporterin bei schönstem Sonnenschein durchs Steingau-Quartier streifen, um Menschen zu fragen, wie es sich so wohnt im neuen Viertel, sind die Spielplätze und Treffpunkte in den Innenhöfen der fertiggestellten Mehrfamilienhäuser weitestgehend verwaist. Dass die Plätze nicht attraktiv sind, kann man nicht behaupten: Fantasievoll gestaltet und mit bunten Frühlingsblumen und Stauden umgeben, laden sie zum Spielen und Schwätzen ein. Jede Menge Schäufelchen, Bagger und Förmchen, die am Rand der Sandkästen liegen, verraten, dass hier normalerweise Leben herrscht – und dass die Steingau-Bewohner offenbar Vertrauen haben, dass nichts abhanden kommt. 

Hinter einem Gebäude in der Rosa-Heinzelmann-Straße schiebt ein Mann einen Rasenmäher übers Grün. Ahmet Özsinmaz wohnt mit seiner Familie seit rund einem halben Jahr im Quartier. „Normalerweise ist hier jede Menge los. Sobald die Sonne scheint, sind die Kinder draußen“, korrigiert er unseren Eindruck, der offenbar wirklich nicht mehr ist als eine Momentaufnahme. Auch seine beiden Töchter und ihre Freundin sind herausgekommen und werfen sich einen pinken Ball zu. An Spielkameraden fehlt es den Mädchen im Quartier nicht. „In jedem Block sind mindestens die Hälfte Familien mit Kindern“, schildert Özsinmaz seinen Eindruck. In jedem Innenhof gibt es einen kleinen Spielplatz, Abwechslung ist also garantiert. Ganz von der Leine mag der 38-Jährige seine Mädchen jedoch nicht lassen. „Man muss schon ein bisschen aufpassen, weil das ja kein abgeschlossenes Viertel ist“, sagt der Familienvater. 

Ins Steingau-Quartier gezogen ist die Familie Özsinmaz wegen der Nähe zu Ludwig-Uhland-Gymnasium und Alleenschule, und wegen der guten Einkaufsmöglichkeiten. „Auch der Neubau hat uns gereizt“, sagt der Kirchheimer, der vorher mit seiner Familie in der Nähe der Bohnau gelebt hat. Er mag die Gemeinschaft im Quartier. „Wir machen zusammen Grillabende. Im Winter war der Nikolaus da“, sagt er. Die Mischung hält er für gelungen. Nur die Parksituation sei noch etwas chaotisch. „Im Moment werden die Straßen zugeparkt. Später ist dann alles verkehrsberuhigt“, sagt er. Über Baulärm kann er sich nicht beklagen. „Hier ist ja schon alles fertig, und vom Baufeld 5 bekommen wir gar nichts mit“, sagt er. Sein Fazit: „Dafür, dass das Quartier noch nicht fertiggestellt ist, funktioniert es schon ganz gut“. 

Auch Katja Seybold, die wir auf dem Weg in die Innenstadt treffen, wohnt schon seit ein paar Monaten im Quartier. Baulärm ist für sie ebenfalls kein Thema. „Es ist still, obwohl ich schräg gegenüber der Baustelle wohne“, sagt die 58-Jährige. Ob der Lärm sie im Sommer, wenn der Balkon zum zweiten Wohnzimmer wird, stören wird, kann sie jetzt natürlich noch nicht sagen. Ins Steingau-Quartier gezogen ist sie wegen der „absolut perfekten Lage“, wie sie sagt. Auch das Bauen mit einer Baugemeinschaft habe sie gereizt. „Man zieht zu Menschen, die man schon gut kennt. Das ist sehr schön“, sagt die Kirchheimerin, die zwischendurch sieben Jahre in Weinsberg bei Heilbronn gelebt hat. 

Vor ein paar Wochen hat sich Katja Seybolds Auto verabschiedet. Wenige Tage später hat sie sich bei Carsharing angemeldet. „Ich hatte schon vorher mit dem Gedanken gespielt, kein eigenes Auto mehr zu haben“, sagt Seybold. Das Ableben des Fahrzeugs war offenbar eine gute Gelegenheit, diesen Gedanken in die Tat umzusetzen. „Es wäre wünschenswert und im Sinne von „Stadtmobil“ (dem Carsharing-Anbieter in Kirchheim, Anmerkung der Redaktion), wenn es einen Stellplatz im Steingau-Quartier gäbe“, schickt sie, die früher Stadträtin war, einen Wunsch an die Kirchheimer Politik. 

Auch Katja Seybold fühlt sich wohl im Steingau-Quartier mit seinen unterschiedlichen Bewohnerinnen und Bewohnern. „Ich hatte befürchtet, dass es so ein Rentnerviertel wird. Aber die Mischung ist besser als befürchtet“, sagt sie. Dank 50 Prozent Mietwohnungsbestand haben in Seybolds Haus auch Nicht-Eigentümer eine Chance. „In einer Wohnung wohnen Ukrainerinnen, in einer anderen wohnt eine türkisch-ungarische Familie“, sagt sie.