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Spannender und abwechslungsreicher Beruf

Ergotherapeutinnen und -therapeuten unterstützen Jung und Alt.

Ergotherapeut:innen befähigen Menschen, ganz eigene Lösungen für ihre jeweiligen Probleme und Herausforderungen zu finden. Foto: DVE

ots. Der DVE (Deutscher Verband Ergotherapie e. V.) stellt nach Auswertung der aktuellen Zahlen zur Ausbildungssituation eine über die letzten zehn Jahre stabile Nachwuchssicherung fest. „Das reicht jedoch nicht“, bedauert die im Vorstand des DVE für Bildung und Wissenschaft verantwortliche Julia Schirmer. Angesichts länger werdender Wartelisten in ergotherapeutischen Praxen ist Handeln dringend nötig. Zum einen vonseiten der Politik, aber ebenso sollten beratende Stellen, die sich mit Schülerinnen und Schülern auseinandersetzen, das vergleichsweise junge Berufsbild „Ergotherapeut/-in“ genauer kennen. Der Beruf ist derzeit noch frauendominiert. „Wir schätzen jedoch, dass ähnlich wie bei den Hebammen durch die Möglichkeit, den Beruf zu studieren, auch bei Ergotherapeutinnen und -therapeuten nicht nur der Männeranteil, sondern generell das Interesse bei allen Schulabgängerinnen und -abgängern deutlich steigen wird“, kommentiert Schirmer und berichtet über eine enorm gestiegene Zahl der Studierenden um das Fünffache in den letzten zehn Jahren.

Was kann, was will ich werden? Diese Frage stellen sich viele Schüler/-innen in den Abschlussklassen, denn bei Weitem nicht alle wissen schon früh oder überhaupt, in welche Richtung ihr beruflicher Weg gehen soll. Hilfreich sind Berufs- und Eignungsberatungen. „Nicht alle Berater/-innen haben sämtliche Berufsbilder oder vollzeitschulische Ausbildungen wie die Ergotherapie im Blick“, weiß Schirmer aus persönlichen Erlebnissen. Sich parallel oder zuvor selbst zu informieren, ist also in jedem Fall eine gute Idee. Das Youtube-Video „Ergotherapie einfach erklärt“ oder Portale wie planet-beruf.de ermöglichen einen ersten Eindruck. Schirmer, die selbst Ergotherapeutin ist, ist auch nach vielen Jahren noch begeistert von ihrer Arbeit. Der aktuellen Landesberichterstattung Nordrhein-Westfalen zufolge trifft das auf die meisten ihrer Berufskolleginnen und -kollegen zu. Ergotherapeutinnen und -therapeuten sind überdurchschnittlich zufrieden mit ihrem Beruf, was bestimmt auch mit ihrem sehr abwechslungsreichen Arbeitsalltag und den vielen unterschiedlichen Arbeitsbereichen zu tun hat: In Summe sind sie diejenigen mit der vermutlich facettenreichsten Tätigkeit im Gesundheitswesen.

Spannend und abwechslungsreich

Ergotherapeutinnen und -therapeuten befassen sich mit dem Alltag der Menschen, genauer gesagt mit dem, was Menschen tun, tun wollen, tun müssen oder was zu tun von ihnen erwartet wird. Sie wissen, dass Aktivitäten, die Ergotherapeutinnen und -therapeuten „Betätigung“ nennen, die Gesundheit beeinflussen können und die Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen. Gesellschaftliche Teilhabe und selbstbestimmtes Leben sind die Grundlagen dafür, dass Menschen ihren Alltag bewältigen können, dass sie zufrieden sind und ein gutes Leben nach ihren individuellen Vorstellungen, Wünschen und Bedürfnissen leben können. Der Mensch ist vielschichtig, als Individuum einzigartig, ist mit unterschiedlichen Fähigkeiten ausgestattet, hat eigene, persönliche Bedürfnisse. Dies ist keine neue Erkenntnis, fließt jedoch bei keinem Gesundheitsfachberuf so maßgeblich in die Behandlung ein wie bei Ergotherapeutinnen und -therapeuten. Sie gehen intensiv auf die individuellen Betätigungsanliegen und Ziele, Fähigkeiten, Möglichkeiten und Rahmenbedingungen ihrer Patientinnen und Patienten sowie Klientinnen und Klienten ein; die genannten Faktoren bestimmen die Herangehensweisen und den Therapieplan. Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten befähigen Menschen, ganz eigene Lösungen für ihre jeweiligen Probleme und Herausforderungen zu finden. Sie informieren ausführlich beispielsweise zu den Möglichkeiten, wie Betätigungen effektiver oder sicherer auszuführen sind, wie sie wieder oder neu erlernt werden können oder wie Betroffene mit dem Verlust von Betätigungen umgehen können. Sie fördern die soziale und berufliche Teilhabe und engagieren sich zunehmend auch im Bereich des Gemeinwesens, in Kommunen, Städten und Gemeinden. Bei Einschränkungen durch Erkrankungen oder Verletzung führen sie Arbeitsplatz- und, falls nötig oder gewünscht, Wohnraumberatungen durch und unterstützen den Alltag durch individuelle Hilfsmittelversorgung. „Letzten Endes ist es das Ziel, dass Menschen selbstbestimmt tun können, was ihnen wichtig ist“, bringt Julia Schirmer es auf den Punkt.

Ergotherapeutinnen und -therapeuten unterstützen Jung und Alt

Ergotherapeutinnen und -therapeuten kümmern sich nicht nur um Menschen mit körperlichen Einschränkungen oder Beeinträchtigungen – eine stetig wachsende Zahl hat ihren Schwerpunkt im psychosozialen Bereich. Immer mehr Menschen entgleitet ihr Leben wegen ihrer seelischen Belastungen oder weil sie eine psychische Erkrankung haben. Sogar Kindern kann es schon schwerfallen, den Anforderungen in Kindergarten oder Schule einfach nachzukommen. Vermehrt beobachten Erzieher/-innen sowie Pädagoginnen und Pädagogen Verhaltensauffälligkeiten, Mobbing oder Suchterkrankungen. Viele Kinder leiden unter Entwicklungsstörungen oder anderen Beeinträchtigungen. Und Senioren haben mit der Bewältigung des täglichen Lebens häufiger Schwierigkeiten, als man denkt. „Ergotherapeutinnen und -therapeuten sind in all diesen Situationen schon lange nicht mehr wegzudenken“, betont Julia Schirmer vom DVE: „Im Gegenteil: Der Bedarf wird aus unterschiedlichsten Gründen weiter zunehmen.“

Politik gefordert

Diesen steigenden Bedarf gilt es zu decken, und an dieser Stelle ist vor allem die Politik gefragt. Europaweit ist Deutschland – neben Polen – das einzige Land, in welchem es noch keine Vollakademisierung gibt. In allen anderen europäischen Ländern ist Ergotherapie ein Studienfach. In Deutschland findet die Ausbildung zur Ergotherapeutin/zum Ergotherapeuten derzeit noch überwiegend an größtenteils privaten Berufsfachschulen statt. Die praktische Ausbildung erfolgt in ergotherapeutischen Praxen, in Einrichtungen des Gesundheits-, Sozial- oder Bildungswesens. Allerdings befindet sich Deutschland mitten in der Reform der Berufsgesetze und der Diskussion, diese Gesetze für die Therapieberufe zu novellieren. „Seit Langem stellen wir fest, dass die Anforderungen, die an die therapeutische Versorgung gestellt werden, steigen. Diese Herausforderungen erfordern angepasste und zukunftsfähige Kompetenzen, eine deutlich höhere Autonomie der Berufszugehörigen und deshalb dringend andere Ausbildungsstrukturen, die attraktive berufliche Entwicklungsmöglichkeiten beinhalten. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb in Deutschland am Modell der vollzeitschulischen Ausbildung festgehalten wird“, findet Julia Schirmer. Schlusslicht in Sachen Bildung und Ausbildung zu sein, sollte Deutschland nicht auf sich sitzen lassen. Schirmer ist sich sicher, dass durch eine stringente und flächendeckende Akademisierung deutlich mehr Schüler/-innen diesen Beruf ergreifen werden, der damit auch international anschlussfähig bleibt. In der Zwischenzeit wünscht sie sich, dass mehr Länder dem Beispiel von Baden-Württemberg folgen und mehr Studienplätze für diesen interessanten Gesundheitsfachberuf zur Verfügung stellen.