Der Weg zum Gebäude der Jugendkunstschule ist mit Mosaik geschmückt – hier hausen kreative Köpfe, das merkt man sofort. Auch die Atelierräume der Schule sind von oben bis unten farbig. Boden und Wände machen den Eindruck, als hätten sich ein paar Spaßvögel eine Farbschlacht geliefert. Stühle, Regale und Wände sind vollgehängt, -gemalt, -geklebt.
Auf die Tische ist Zeichenpapier gespannt, damit Ideen nicht auf dem Weg zum Notizblock verloren gehen – sie können direkt auf dem Tisch festgehalten werden. Sowohl diese Tische als auch der Raum selbst bieten jede Menge Platz und Möglichkeiten, sich auszutoben und dabei auch mal ein wenig zu „sauigeln“.
Im Atelier ist alles erlaubt, was die Eltern zu Hause auf die Palme bringen würde: sägen, hämmern, mit Farbe spritzen, den Boden vollklecksen und alles zusammenkleben, was nicht niet- und nagelfest ist. Als Inspiration dienen nicht nur die Werke der vielen Schüler, die die Wände bedecken, sondern vor allem die vielen Werkstoffe. Wem kribbelt es beim Anblick von Brennofen, Töpferscheibe, Staffeleien, Tüchern, Mosaiksteinen, Gips, Holz, Acryl-, Aquarell-, Öl- und Wachsfarben nicht in den Fingern? An jeder Wand der Kunstschule stehen Regale, in jedem Regal stehen Dosen, Gläser, Boxen und Kästchen, und in jedem dieser Behältnisse stecken all die kleinen Dinge, die das Künstlerherz begehrt. Und was man hier nicht entdeckt, findet sich sicher im riesigen, zur Kunstschule gehörenden Lager.
Für 29 Euro im Monat (ohne Ermäßigungen) können und sollen im Jugendatelier all diese Materialien und dazu auch die Werkzeuge, Räume und Ratschläge der Künstler Volker Illi und Ute Gärtner-Schüler in Anspruch genommen werden. Zudem ist fürs Atelier unter den Schülern der Kunstschule ein Schlüssel im Umlauf. So können sie das Atelier auch außerhalb der Öffnungszeiten, an Wochenenden und in den Ferien nutzen, wann immer sie wollen.
Letztes Jahr feierte die Musik- und Jugendkunstschule Nürtingen bereits ihr 20-jähriges Jubiläum. Die Bezeichnung „Schule“ sollte man aber nicht zu ernst nehmen. Während der kreativen Betätigung wird keineswegs angestrengt die Stirn gerunzelt, es gibt keine Tests, keinen Stress, keinen Leistungsdruck. Ganz entspannt quatschen die Schüler miteinander und mit ihrer Lehrerin über Gott und die Welt. Der wöchentliche Kunstkurs ist im Leben vieler Schüler ein fester Bestandteil. Rekord-Langzeitschülerin Jana besucht seit über 14 Jahren die Jugendkunstschule und meint: „An allem habe ich irgendwann die Lust verloren, aber in all den Jahren an der Kunstschule habe ich mich jeden Dienstag darauf gefreut. Sie ist mein zweites Zuhause.“
Für Kreative von sechs bis 20 Jahre bietet die Schule fortlaufende Kurse und Kurzkurse an, und das bei Gruppengrößen von maximal zwölf Schülern. Bei „Frischlingen“ versucht Künstlerin Ute Gärtner-Schüler erst mal, Grundlagen und Techniken zu vermitteln. „Es ist eben nicht so gut, wenn der Ton dir im Ofen explodiert“, meint sie, „aber Kunst kommt nicht nur vom Beherrschen der Technik.“ Deshalb geht die Künstlerin in ihren Kursen auf jeden Schüler ein. Regelmäßig bringt sie Bücher als Inspiration mit, die sie bei einem oder mehreren Schülern für passend hält. Je nach Erfahrung und Begabung ist jeder unterschiedlich weit. Im Kunstunterricht in normalen Schulen wird das weitestgehend ignoriert. In der Jugendkunstschule dagegen gibt es keine allgemeine Tages- oder Wochenaufgabe, die jeder bewältigen muss, ob er nun will oder nicht. Wer eigene Ideen und Projekte hat, darf diese umsetzen. Wer für die Schule etwas machen muss, bekommt hilfreiche Tipps - und meist am Ende auch gute Noten - und für die, die keine Ahnung haben, was sie machen wollen, haben die Lehrer immer Vorschläge auf Lager. Ute Gärtner-Schüler gelingt der schwere Spagat, jedem Schüler Aufgaben und Betreuung passend zu seinem persönlichen Können und seinen Interessen zu bieten. „Mir macht‘s Megaspaß“, erzählt sie, „mich hält‘s jung.“
Auch an Wettbewerben und Projekten nimmt die Jugendkunstschule immer wieder teil, und einmal im Jahr werden in einer Best-of-Ausstellung die tollsten Werke der Kunstschüler präsentiert. Außerdem hängt alle vier Wochen ein neues „Bild des Monats“ in der Nürtinger Stadtbücherei aus, das jedes Mal mit Titel und Künstler in der Zeitung erwähnt wird.
So schön und entspannt all das auch klingt, die Jugendkunstschule bringt ihre Schüler tatsächlich weiter, fördert ihre Kreativität und ihr Können. Wer an seiner Mappe für eine Bewerbung um einen kreativen Ausbildungs- oder Studienplatz arbeitet, findet hier Unterstützung: „Bis jetzt wurden alle Mappen, die die Schüler mit unserem Rat gemacht haben, auch angenommen“, erzählt Ute stolz. So hat die Jugendkunstschule schon einige ihrer Schützlinge auf dem Weg in die Kunstakademie Stuttgart oder zu anderen Zielen begleitet.