Kirchheim. Die neun Entdeckertouren drehten sich um das diesjährige Thema Holz: unter anderem um Forsthäuser, das Max-Eyth-Haus und die Flora in der Innenstadt. Dazu gab es eine Führung zum Thema „Fachwerkkunst und Braugenuss“, die im Nu ausverkauft war. Die Touren beantworteten auch die Frage, wie ein Fachwerkhaus entsteht, und sie erklärten, warum 1690 alle bis auf drei Gebäude innerhalb der Stadtmauer den Flammen zum Opfer fielen.
Mößner, seit 23 Jahren Stadtführerin, trat diesmal nicht in ihrem Kostüm als Henriette auf, sondern ganz normal als sie selbst. „Versetzen Sie sich 300 Jahre zurück“, forderte sie die rund 20 Teilnehmer ihres ersten von zwei identischen Rundgängen auf. „Wir haben eine Stadtmauer, ans Schloss angebaut, mit vier Stadttoren.“ Die Mauer zwischen Ötlinger Tor, Oberem Tor, Jesinger Tor und Unterem Tor ist acht Meter hoch, außen herum verläuft ein Graben. Viel Wasser ist nicht darin, denn es war ein heißer Sommer. Rund 2 200 Menschen wohnen damals in Kirchheim, die Häuser im Stadtzentrum stehen durcheinander und sind eng verschachtelt. „Manche hatten einen Misthaufen vor dem Haus. Sie bestanden überwiegend aus Holz und Lehm, nur wenige hatten einen Steinsockel.“
Die Metzgerei Eisele hatte ihren Sitz dort, wo heute das Kunsthöfle der Volksbank ist. Während die Männer im Dreikönigskeller sitzen, schüttet am 3. August 1690 eine Magd der Metzgerei Schmalz aus. Das Schmalz beginnt zu brennen. Ein Sommersturmwind sorgt dafür, dass die Stadt drei Tage lang lichterloh brennt. 257 Häuser, 114 Scheunen und alles Vieh und Inventar gehen in den Flammen verloren. Dem Metzger wurde zwar kein Prozess gemacht, aber er wurde angefeindet und musste die Stadt verlassen. Seine Nachfahren zogen nach Stuttgart-Wangen, wo noch heute eine Metzgerei Eisele besteht.
Nur drei Gebäude innerhalb der Stadtmauer blieben damals stehen: Das Schloss, das Max-Eyth-Haus und – zumindest in Teilen – die Martinskirche. Die Kirche, die im Mittelschiff niedergebrannt war, wurde schnell repariert, um Obdachlose aufzunehmen. Andere kamen im Schloss und in den Gehöften außerhalb der Stadt unter. Um Plünderungen vorzubeugen, wurden die vier Stadttore bewacht.
Einige Tage nach dem Brand kamen hohe Herren aus Stuttgart zur Besichtigung. Für den Wiederaufbau gab es strenge Auflagen: Die Straßen mussten verbreitert werden, alle Häuser sollten mit dem Giebel zur Straße stehen und Abstand voneinander haben. Erker waren verboten, noch heute zeugen die glatten Fronten entlang der Fußgängerzone von dieser Regelung. Alle Häuser erhielten Steinsockel. Der Brand hatte noch eine weitere Folge: Eine Feuerversicherung wurde eingeführt.
Der Wiederaufbau ging zügig voran, so ist an der Apotheke Schneider 1693 als Jahr des Wiederaufbaus zu lesen. Nur beim Rathaus, das an der Stelle des heutigen Brunnens auf dem Marktplatz stand, war man sich nicht so schnell einig. Vorübergehend war die Verwaltung im rasch wieder aufgebauten Spital untergebracht, das heutige Rathaus wurde erst von 1722 bis 1724 gebaut. Vor dem Brand hatte an seiner Stelle ein großes Bürgerhaus mit Turm gestanden. Wer unter den Bürgern Rang und Namen hatte, feierte dort seine Feste anstatt in einem Gasthaus. Der neue Standort des Rathauses trug dazu bei, dass Kirchheim heute einen so großen Marktplatz hat. „Früher war jeder Markt, ob Wolle, Schafe, Keramik oder sonst etwas, an einer anderen Stelle in der Stadt“, erläuterte Mößner.
Der Tag des offenen Denkmals bot Gelegenheit, das Rathaus zu besuchen. Der große Sitzungssaal stand ebenso offen wie das Trauzimmer. Weil aus Sicherheitsgründen immer nur 20 Leute gleichzeitig auf den Rathausturm durften und mit Hilfe kleiner Kärtchen genau gezählt wurde, bildete sich eine dauerhafte kleine Schlange. Das Dienstzimmer von Angelika Matt-Heidecker blieb leider verschlossen, die Oberbürgermeisterin musste kurzfristig absagen. Das städtische Museum beteiligte sich im Rahmen seiner aktuellen Sonderausstellung mit einem Fachwerkquiz. An vielen Ecken der Innenstadt waren Quizteilnehmer mit dem Fragebogen unterwegs. Bei der Martinskirche stand der Tag unter dem Motto „Martin sucht Dachpaten“.
Auch einige Gemeinden im Umland beteiligten sich am Tag des offenen Denkmals. In Lenningen stand das Schlössle offen, in Owen luden die Stadt und der Alt-Owen Förderkreis zu Führungen in die Bernhardskapelle. In Beuren gab es eine Führung durch die Kelter.