Kirchheim. Was für eine schöne Geste: Ihre Jüngsten nahmen Jugendkapelle und Stadtkapelle Kirchheim beim Weihnachtskonzert am
Wochenende in ihre Mitte – nicht das Vorstufenorchester eröffnete in der Stadthalle, die Jugendkapelle setzte den ersten Glanzpunkt und die Stadtkapelle schloss mit festlichem Glanz die Klammer um einen bemerkenswerten Konzertabend.
Und so stand der Auftritt des Nachwuchses nicht am Rand, sondern bekam seinen ganz eigenen Platz im Gesamtkunstwerk „Blasmusik made in Kirchheim“. Zu diesem trug auch in nicht unerheblichem Maße die Moderation bei. Stephanie Rauschnabel begleitete das Publikum charmant und mit viel Wissenswertem und Interessantem zum Konzertprogramm durch den Abend.
Dass sie zu Recht im Ruf steht, eines der besten Blasorchester Deutschlands im Amateurbereich zu sein, stellte die Stadtkapelle Kirchheim unter der Stabführung ihres Dirigenten Harry Donald Bath beim Weihnachtskonzert eindrucksvoll unter Beweis. Alleine der Gesamtklang und das Zusammenspiel in den Registern der Jugendkapelle schon dürfte manches „erwachsene“ Blasorchester im Lande wohl staunend und anerkennend in Richtung Teckstadt blicken lassen. Wunderbar stimmig und samtig im Ton besonders das Flöten- und das Klarinettenregister; da stimmten die Tiefen, da spielte keiner der jungen Musiker bei den Höhen oben raus, da waren alle auch bei den schnellen Passagen fingerfertig und taktsicher.
„A Charles Dickens Christmas“ eröffnete das Konzert mit Musik, die bereits im viktorianischen England des 19. Jahrhunderts zu Weihnachten erklang und die auch heute in der Interpretation der Judenkapelle Kirchheim Festtagsglanz versprühte. Jacob de Haans musikalische Reminiszenz an „Ross Roy“ folgte, den Gründungsort des lutheranischen Schul-Kollegs von St. Peter. De Haan hat der Schule mit seiner Komposition ein Denkmal gesetzt, und mit monumentalem Klang wurde die Jugendkapelle diesem Notenwerk gerecht.
Jedes Orchester lebt nicht nur, aber manchmal eben ganz besonders auch von seinen Solisten. Sechs Querflöten und Klarinetten der Jugendkapelle (Freya Bordewieck, Lea Hogenkamp, Julia Wölfle, Lotta-Lena Zeiger, Tabea Hurler und Philip Bühler) zwitscherten sich mit flinken Fingern und heiter-ausgelassenem Ton bei „Capricious Aloysius“ durch die Solopassagen. Julia Wölfle kam im Anschluss zu einem weiteren Solo-Auftritt: Mit jugendlichem Schwung gab sie am Mikrofon den kurzen musikalischen Auftakt für die einzelnen Register, bevor diese mit Harry D. Bath am Pult zu einer munteren und beschwingten Uptempo-Reise um die Welt mit „Bands around the world“ aufspielten. Versteht sich fast von selbst, dass das Publikum in der Stadthalle die jungen Musiker erst nach minutenlangem Applaus und einer Zugabe von der Bühne ließen.
Die Jungen machten Platz für noch Jüngere. Das Vorstufenorchester, ebenfalls geleitet von Bath, spielte konzentriert und mit schönem Ton die Variationen über das französische Volkslied „Au clair de la lune“, komponiert vom Holländer Henk van Lijnschooten. „Die Weihnachtsglocken“ des James Curnow folgten, ebenso stilsicher gespielt vom Nachwuchs der Stadtkapelle. Und auch beim „Baker Street March“ ließen die jüngsten Stadtmusikanten Kirchheims beachtlich sicheres Gespür für Takt und Töne erklingen.
Steht die Stadthalle am Aufstieg zur Alb, oder ist sie nicht in Wirklichkeit ein Opernhaus in Spanien? Der Auftakt der Stadtkapelle ließ letzteres vermuten. Rossinis Ouvertüre zum „Barbier von Sevilla“ erklang, ließ die Musiker der Stadtkapelle feurig, virtuos, bombastisch agieren – ein echter und stilgerecht musizierter Rossini eben. Kirchenschiff-breites Fortissimo und ein Pianissimo, so schlank und fein wie ein Nadelöhr, ließen den Barbier der Kirchheimer Stadtkapelle zum Hörgenuss werden. „In Dulci Jubilo“, ein Kirchenlied aus dem 14. Jahrhundert, brachte das Publikum in der Stadthalle aus dem Opernglanz Rossinis zurück in den festlichen Glanz der Weihnachtszeit.
Zum künstlerischen Erlebnis für Ohren und Augen wurde „Canticle of the creatures“, der Lobgesang auf die Schöpfung nach dem „Sonnengesang“ des Franz von Assisi: eine stilsicher und sehr diszipliniert musizierende Stadtkapelle, dazu auf der Leinwand vor der Bühne die wunderbar zum Thema der Musik passenden Bilder aus dem jüngsten Kunstkalender der Diakonie Stetten und Karl-Heinz Schmauder, der als Rezitator dem Publikum die Texte zum „Sonnengesang“ vortrug.
„A Christmas Festival“, von besinnlich bis beschwingt komponiert von Leroy Anderson, setzte den – vorläufigen – Schluss- und Glanzpunkt des Kirchheimer Weihnachtskonzertes. Erneuter, begeisterter und minutenlanger Beifall entlockten Harry D. Bath und der Stadtkapelle die ersehnte Zugabe.