Kirchheim

1611 Umbauten in 24 Stunden

Kultur Eine Filmprojektion, die ab 13. Dezember rund um die Uhr in einem Schaufenster läuft, weist auf die Live-­Performance „Standard Time“ des Künstlers Mark Formanek hin. Sie wird im September im Bürgerpark aufgeführt.

Im Dezember als Filmprojektion im Schaufenster zu sehen, im September dann live im Kirchheimer Bürgerpark: eine Digitaluhranzeig
Im Dezember als Filmprojektion im Schaufenster zu sehen, im September dann live im Kirchheimer Bürgerpark: eine Digitaluhranzeige aus Holzlatten, 72 Arbeiter bauen sie 24 Stunden lang in Echtzeit um. Foto: Bernd Schuller

Vom 13. bis zum 20. Dezember präsentiert der Kunstbeirat der Städtischen Galerie im Kornhaus Kirchheim seine nächste Kunstaktion: Rund um die Uhr wird der Film „Standard Time“ des Konzeptkünstlers Mark Formanek gegen die Schaufensterscheibe des Gebäudes in der Max-Eyth-Straße 38 in der Kirchheimer Fußgängerzone projiziert. Damit wird bereits jetzt auf die geplante 24-stündige Live-Performance von „Standard Time“ hingewiesen. Sie wird im September 2021 öffentlich aufgeführt, allerdings nicht im Kornhaus, sondern im Bürgerpark. Er dient als Ausweichfläche, weil das Kornhaus umgebaut wird. Der Kunstbeirat organisiert während dieser Zeit eine ganze Reihe von Projekten außer Haus.

Die Arbeit des in Berlin lebenden Künstlers erscheint einfach, ist jedoch sehr vielschichtig. „Standard Time“ ist ein Film und gleichzeitig eine Uhr, die den Betrachter die Zeit vergessen lässt. Das Anzeigen der Zeit wird in ihrem Verlauf in einem exakt 24-stündigen Film dargestellt. Jedoch wird nicht nur die Zeit im Minutentakt angezeigt, sondern im Unterschied zu einer Uhr quasi deren Entstehung.

Die dafür notwendige, extrem aufwendige Aktion hat der Künstler über die letzten Jahre hinweg an wenigen ausgewählten Orten verwirklicht. Überall funktioniert sie anders. In Kirchheim wird zunächst die Version zu sehen sein, die der Künstler zusammen mit der Medienagentur ­Datenstrudel 2007 in Berlin auf einer Stadt­brache umgesetzt hat.

Zu sehen sind 72 Arbeiter, die die Uhrzeit in Form einer Digitalanzeige aus mannshohen Holz­latten synchron zur Echtzeit zu einer vier mal zwölf Meter gro­ßen, fortlaufenden digitalen Zeitanzeige zusammensetzen.

Wie bei einer herkömmlichen Digitaluhr wird die Zeit bei „Standard Time“ mit vier Ziffern dargestellt. Die ersten beiden zeigen die Stunden, die letzten beiden die Minuten. Für die Arbeiter bedeutet das beispielsweise: Sie haben genau eine Minute Zeit, um 12:59 Uhr zu 13:00 Uhr umzubauen. Damit sind 1611 Umbauten in 24 Stunden ohne Pause im Vier-Schichten-Betrieb nötig.

Schritthalten mit der Zeit

„Standard Time“ gestaltet den Blick auf die Uhr neu. Die Aktion bietet mehr als die bloße Information über den Stand der Zeit. Das Auge des Betrachters bleibt am Geschehen hängen. Denn zu sehen gibt es mehr als Zeiger und Ziffern. Es ist das menschliche Streben, mit der Zeit schrittzuhalten - ein bekanntlich schwieriges Unterfangen. Bei umfangreicheren Umbauten, etwa zur vollen Stunde, ist die Anzeige oftmals erst in letzter Sekunde fertig. Der Betrachter fiebert automatisch mit und vergisst beim Blick auf die Uhr nicht selten die Zeit.

In den Worten des Künstlers Mark Formanek: „Standard Time ist eine exakt 24 Stunden auf Film festgehaltene Performance. Dieser Film ist weit mehr als das Abbild einer Aktion, nicht schlichtes Dokument von Vergangenem, sondern auch eine Uhr. Eine jetzt und künftig nutzbare Zeitanzeige, die jeden Tag weiter in die Vergangenheit ragt und trotzdem immer aktuell und pünktlich ist.“ pm