Lokale Kultur

508 Jahre nach ihrem Begräbnis in Kirchheim kehrt Württembergs erste Herzogin zurück

508 Jahre nach ihrem Begräbnis in Kirchheim kehrt Württembergs erste Herzogin zurück

Ausstellung im Kornhaus 1. OG, "Von Mantua nach WŸrttemberg: Barbara Gonzaga und ihr Hof
Ausstellung im Kornhaus 1. OG, "Von Mantua nach WŸrttemberg: Barbara Gonzaga und ihr Hof

Kirchheim. Als einer der „Erinnerungsorte“ an die erste württembergische Herzogin Barbara Gonzaga ist Kirchheim ein wichtiger Bestandteil der Wanderausstellung „Von Mantua nach Württemberg: Barbara Gonzaga und ihr Hof“. Obwohl Kirchheim als Begräbnisort Barbaras eigentlich ganz am Schluss der „Wanderreihe“ stehen müsste, ist die Teckstadt erst die zweite Station, an der die Ausstellung h

alt macht, nachdem sie von Ende März bis Ende Juli im Hauptstaatsarchiv Stuttgart zu sehen war.

Die Beziehungen zwischen Württemberg und Italien haben nicht erst mit der Eheschließung Barbara Gonzagas aus Mantua mit Graf Eberhard von Württemberg-Urach im Jahr 1474 begonnen – also mit Eberhard im Bart, der „Lichtgestalt“ der früheren württembergischen Geschichte, wie ihn Ausstellungsmacher Dr. Peter Rückert vom Stuttgarter Hauptstaatsarchiv bei der Ausstellungseröffnung im Kornhaus bezeichnete. Nein, und auch darauf verwies Peter Rückert ausdrücklich: Schon Eberhards Urgroßvater Eberhard III. der Milde hatte eine reiche Italienerin geheiratet, Antonia Visconti aus Mailand.

Dass die deutsch-italienischen Beziehungen aber mit dem Tod Barbara Gonzagas am 30. Mai 1503 auch längst nicht beendet waren, das machte Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker in ihrer Begrüßung zur Ausstellungseröffnung deutlich: Derzeit gebe es fast 1 200 Kirchheimer mit italienischem Pass. In einem kurzen Abriss ging Kirchheims Oberbürgermeisterin bereits auf das Thema der Ausstellung ein: auf jene 18-jährige „Barbarina“, die – „schön und leicht korpulent“ – dem zehn Jahre älteren Grafen Eberhard auf Anhieb gut gefallen hatte. Der Bezug Kirchheims zu Barbara Gonzaga sei als Begräbnisort zwar nicht der erfreulichste. Noch weniger rühmlich sei es, dass die Grabstätte schon längst nicht mehr vorhanden ist. Aber immerhin gebe es seit 2003, seit Barbaras 500. Todestag, in der Nähe der mutmaßlichen Grabstätte eine Stele, die in Kirchheim an sie erinnert.

Dr. Miriam Altadonna, italienische Vizekonsulin in Stuttgart, kam in ihrem Grußwort auf die Wanderungen im Lebenslauf Barbara Gonzagas zu sprechen. Vor über fünfhundert Jahren und demnach in einer völlig anderen Zeit habe die Markgrafen-Tochter aus Mantua dieselben Reisestrecken zurückgelegt wie jetzt die deutsch-italienische Wanderausstellung, die Anfang September 2012 auch in Mantua zu sehen sein wird.

Viele der Ausstellungsgegenstände sind tatsächlich aus Mantua beigesteuert worden, wie Peter Rückert betonte. „Briefe, Bilder, Preziosen“ aus Leben und Umfeld Barbara Gonzagas präsentiere die Ausstellung. Unter anderem gehört dazu ein scheinbar unscheinbares, aber dennoch außergewöhnliches Exponat: eine lederne Falkenhaube aus der Zeit um 1500, die normalerweise im Palazzo Ducale in Mantua aufbewahrt wird.

Peter Rückert geht es mit der Ausstellung auch um den Gegensatz zwischen dem prächtigen Renaissance-Hof der Gonzagas in Mantua – wo Barbaras Vater beispielsweise 1459 einen glanzvollen Fürstentag in Gegenwart des Humanistenpapstes Pius II. abhielt – und der Grafschaft Württemberg, die sich damals in einer tiefen Herrschaftskrise befand. Zum einen gab es die Teilung in die Linien Württemberg-Urach und Württemberg-Stuttgart, zum anderen eine verheerende Niederlage von Eberhards Onkel, Ulrich V. dem Vielgeliebten, in der Schlacht bei Seckenheim 1462 – mit demütigender Gefangenschaft und hoher Lösegeldforderung.

In diese historischen Gegebenheiten führt die Ausstellung zunächst ein, bevor es um die Brautwerbung Eberhards und die Reise Barbaras von Mantua nach Urach geht. Die Reise begann am 10. Juni und endete am 3. Juli 1474. Sie folgte einer Route, die auch heutige Reisende noch über die entsprechenden Autobahnen und Pässe nehmen – über Brenner und Fernpass. Außerdem führte die Reise einem anfänglichen Eheglück entgegen. So berichtete Peter Rückert den zahlreichen Gästen der Ausstellungseröffnung, dass nach zeitgenössischer Aussage die jungen Eheleute vor lauter Händchenhalten kaum hätten essen können. Das Eheglück schien perfekt, als ein Jahr später eine Tochter zur Welt kam. Allerdings starb das Mädchen bereits nach einem weiteren halben Jahr. Dass Barbara danach keine Kinder mehr bekam, belastete die Ehe.

Barbara Gonzaga selbst kommt in der Ausstellung häufig zu Wort. Schließlich sind in Mantua über 70 Briefe von ihr erhalten geblieben. Die ersten davon schrieb sie im Alter von sechs Jahren, die letzten kurz vor ihrem Tod. Die Briefe lassen sich in der Ausstellung nicht nur lesen, sondern auch hören – vorgelesen von zehn unterschiedlichen deutschen und italienischen Sprechern. Auch zeitgenössische Musik ist in der Ausstellung zu hören. Bei der Eröffnung im Kornhaus versetzten Gertrud Junker und Michaela Cummerow die Gäste musikalisch und optisch in die Renaissance.

Für Kirchheim besonders interessant ist der Konflikt zwischen Eberhard im Bart und seinem Stuttgarter Vetter, Eberhard dem Jüngeren. Der Konflikt entzündete sich an den Abgaben, die der jüngere Eberhard vom jüngst reformierten Dominikanerinnenkloster verlangte. Er belagerte das Kloster regelrecht, sodass Eberhard im Bart mit militärischem Eingreifen drohen musste. In dieser Zeit unterstützte auch seine Gemahlin Barbara die Kirchheimer Klosterfrauen durch moralischen Zuspruch. Die dramatischen Ereignisse sind in einer zeitgenössischen Klosterchronik aufgezeichnet, die der Nonne Magdalena Kremer zugeschrieben wird. Aus Kirchheimer Sicht ist diese Handschrift wohl als Höhepunkt der gesamten Ausstellung anzusehen.

Das Kloster wurde nach der Einführung der Reformation und nach dem Ausbau Kirchheims zur Landesfestung 1539 abgerissen. Als Herzog Christoph 1551 nach Barbaras Gebeinen suchen ließ, um sie in die Tübinger Stiftskirche zu überführen, waren sie schon nicht mehr aufzufinden. Das ewige Gedächtnis, das sich Barbara Gonzaga durch ihre Bestattung in Kirchheim erhoffte und für das sie den Nonnen 1489 sogar ein Bildnis des Auferstandenen gestiftet hatte, hielt also nicht allzu lange an.

Eines der Anliegen der deutsch-italienischen Ausstellung ist es, Barbaras Leben zu zeigen und sie aus dem Schatten ihres Ehemanns he­rauszuholen, der ein Jahr vor seinem Tod den Höhepunkt seiner Karriere erreichte: die Erhebung Württembergs zum Herzogtum auf dem Wormser Reichstag 1495. Herzogsbrief und Herzogsschwert sind im Kornhaus ebenfalls ausgestellt, wenn auch nicht im Original. Aber immerhin fällt von diesem Erfolg Eberhards im Bart auch ein Glanz auf Barbara: Dadurch wurde sie zur ersten württembergischen Herzogin. Und diesen historischen Rang konnte ihr – im Gegensatz zur letzten Ruhestätte – auch niemand mehr nehmen.