Kirchheim

„Alles, was wie ein Märchen klingt, ist auch eins“

Medien-Erziehung Eltern sollten Interesse an der Welt ihrer Kinder zeigen und mit ihnen über alles in Ruhe reden.

Symbolbild

Kirchheim. Wie können Eltern ih­ren Kindern beim Umgang mit dem Smartphone helfen? Am besten, sagt Aytekin Celik, indem sie Interesse zeigen: „Machen Sie doch mal ein Computerspiel mit Ihrem Kind - oder schauen Sie das You-Tube-Video an, das es Ihnen zeigen möchte - auch wenn es für Sie langweilig ist.“ Eltern sollten die Welt ihrer Kinder verstehen.

Allerdings dürfe man nicht übertreiben: „Kinder wollen eigene, pädagogikfreie Räume.“ Nicht nur bei diesem Wunsch nach Freiraum gebe es keinen Unterschied mehr zwischen realer und virtueller Welt. Beides gehöre untrennbar zusammen: „Kinder gehen gerne mal in den Wald. Aber das Smartphone muss dabei sein, weil es da eine App gibt zum Bestimmen von Pflanzen.“

Auch bei Apps müsse man vorsichtig sein: „Sie haben Zugriff auf fast alle Daten. Eine Foto-App muss auf die Kamera zugreifen können - aber nicht auf die Kontaktdaten.“ Auch sollte nicht jedes Foto automatisch gepostet werden. „Besser ist es, erst zu fotografieren und sich danach gut zu überlegen, ob man es auch wirklich posten will.“ Die Gefahr besteht darin, dass nicht jeder, der auf dem Foto abgebildet ist, damit einverstanden sein muss, dass es alle Welt zu sehen kriegt: „Man kann da Fehler machen, die strafrechtlich schnell relevant werden können.“

Vor allem rät Aytekin Celik dazu, gelassen zu bleiben und über alles zu reden: „Lassen Sie es nicht zu, dass Ihr Kind Angst hat, Ihnen etwas zu erzählen.“ Angst gibt es nicht nur vor Strafe, Abweisung oder Schimpfe: „Kinder haben irrationale Ängste, für immer ein Internet-Verbot zu bekommen.“

Ohne Internet geht es aber nicht, weil es keinen Unterschied mehr gibt zwischen reeller und virtueller Welt. Ob es um Kleidung oder Musik geht, um reelles Schulterklopfen oder virtuelle „Likes“, es stecken immer die zentralen Fragen dahinter: „Wie komme ich an, wie werde ich wahrgenommen, welche Wirkung habe ich in meiner Gruppe?“ Leicht überspitzt, fügt Aytekin Celik hinzu: „Man muss atmen, essen, schlafen - und sich selbst inszenieren.“ Das Inszenieren müsse aber gelernt werden: „Das muss kein Tagebuch sein, das alles ehrlich abbildet. Negative Tagebuchgeschichten sollte man höchstens an den besten Freund oder die beste Freundin weitergeben.“

Aber auch da heißt es vorsichtig sein. Selbst wenn eine Nachricht nur an einen einzigen Empfänger gerichtet ist, kann der es trotzdem anderen zeigen: „Wer in einer Gruppe schreibt, wen er doof findet, und das an 20 Leute schickt, muss damit rechnen, dass die es weitersagen.“ Ob Texte oder Bilder, auch hier ist die Geschwindigkeit das Problem: „Das geht alles so schnell, und oft fehlt Kindern und Jugendlichen noch die Sensibilität dafür, was sie veröffentlichen können und was nicht.“

Eltern haben einen Vorteil: „Wenn irgendwo steht, dass man ganz leicht 5 000 Euro verdienen kann, wissen die Erwachsenen, dass das betrügerisch sein muss.“ Diese Lebenserfahrung sollten sie an ihre Kinder weitergeben, und der Leitsatz dabei gilt sicher für den Umgang mit Internet und sozialen Netzwerken allgemein: „Alles, was wie ein Märchen klingt, ist auch eins.“ Auch bei dieser Erkenntnis gibt es keinen Unterschied zwischen reeller und virtueller Welt.Andreas Volz