Kirchheim

Auf die richtigen Informationen kommt es an

Kundgebung Der Aufruf der Initiative „Querdenken 702“ bringt über 300 Menschen auf den Kirchheimer Marktplatz, die sich gegen die Maskenpflicht wehren. Gegendemonstranten sind ebenso vor Ort. Von Andreas Volz

Louis-Manou darf als „Organisator“ die Kundgebung gegen die Corona-„Plandemie“ auf dem Marktplatz eröffnen und auch wieder beend
Louis-Manou darf als „Organisator“ die Kundgebung gegen die Corona-„Plandemie“ auf dem Marktplatz eröffnen und auch wieder beenden. Fotos: Carsten Riedl
Ein Demonstrant drückte seinen Unmut mit Plakaten aus.
Ein Demonstrant drückte seinen Unmut mit Plakaten aus.

Welten prallen aufeinander, wenn „Querdenken 702“ auf dem Kirchheimer Marktplatz eine Kundgebung abhält - wie erstmals am Donnerstag­abend. Die „Querdenker“ fordern das Aufheben aller Corona-Beschränkungen, während eine wesentlich kleinere Schar spontaner Gegendemonstranten für das Einhalten der Regeln plädiert. Zwischen beiden Gruppen scheint keine Schnittmenge zu bestehen - außer der gemeinsamen Sprache. Die Parolen wirken beliebig austauschbar. Einer trägt ein Schild mit der Bitte herum: „O Herr, gib uns unseren Verstand wieder zurück“. Ein anderer hat auf ein Stück Pappe geschrieben: „So viel Fantasie - so wenig Verstand“. Der eine ist „Querdenker“, der andere ein Gegendemonstrant. Es könnte aber auch umgekehrt sein.

Demonstration im Nieselregen: Der Marktplatz war am Donnerstag­abend vergleichsweise gut gefüllt.
Demonstration im Nieselregen: Der Marktplatz war am Donnerstag­abend vergleichsweise gut gefüllt.

Besser als an den Parolen kann man die Gruppen am Umgang mit der Maske unterscheiden. „Querdenker“ tragen selbstverständlich keine. Um aber die Kundgebung durchhalten zu können, ohne dass sie von der Polizei aufgelöst wird, appellieren die Redner immer wieder an die Menge, den Abstand von 1,50 Metern einzuhalten - obwohl sie diese Regel prinzipiell ablehnen. Selbst die Pandemie lehnen sie ab. Das einzige, was sie erkennen, ist eine „Plandemie“.

Die „Querdenker“ - ob es sich um Karl, den pensionierten Polizisten aus Bayern, um Florian aus der Nähe von München oder um Eloas den Barden handelt - sind allesamt der Meinung, dass zwar das Virus keine tödliche Bedrohung darstellt, die Maske aber sehr wohl. Brigitte aus Schorndorf sagt, eine ganze Generation werde dadurch traumatisiert, dass man ihr eine Angst vor dem Virus einjage, die völlig überzogen sei, und dass man sie gleichzeitig zwinge, Masken zu tragen. Amtsträgern, die das Maskentragen anordnen oder kontrollieren, wird mit Anzeigen wegen schwerer Körperverletzung oder Mordes gedroht.

Die Maske führe dazu, dass man weniger Sauerstoff und mehr CO2 einatme. Zur Folge sagt Karl: „Kinder brauchen zwischen drei und sieben Mal so viel Sauerstoff wie Erwachsene. Wenn sie lange Maske tragen, können sie bewusstlos werden und gegebenenfalls daran sterben.“ Spannend ist auch, was Florian zur Maske ergänzt, weil es genauso gut auf den Umgang mit dem Virus zutreffen könnte: „Der Mensch unterschätzt das, denn er hat keinerlei Erfahrung damit.“

Brigitte berichtet generell von Krankheiten: „Als meine Kinder klein waren, war es wichtig, dass sie sich oft erkälten, um so ihr Immunsystem aufzubauen.“ Nun aber erhielten Kinder eine Maske, „damit sie richtig krank werden“. Außerdem würden sie zum Denunzieren aufgefordert. Als Beleg dafür liest sie aus dem Schreiben einer freien evangelischen Schule aus Schleswig-Holstein vor. Was die Kinder stattdessen machen sollten? „Wenn ihr merkt, dass es einem Mitschüler nicht gut geht, macht euren Lehrer darauf aufmerksam. Wenn der keine Erste Hilfe leistet, scheut euch nicht, den Krankenwagen zu rufen.“

„Impfen kann krank machen“

Kinder dürfen auf der Kundgebung auch selbst reden. So erklärt der neunjährige „Organisator“ Louis-Manou: „Wir gehen auf Demos, weil wir nicht geimpft werden wollen. Und wir wollen nicht geimpft werden, weil man davon krank werden kann - und behindert.“ Die zwölfjährige Lara greift Bundesgesundheitsminister Spahn an, weil der sich infiziert hat: „Hatten seine Maßnahmen doch nicht den erwünschten Erfolg, oder hat er sich nicht daran gehalten? Und warum muss jetzt nicht das gesamte Kabinett, mit dem er getagt hat, in Quarantäne?“ Gegen die Maskenpflicht ist sie ohnehin, weil ihr davon schwindlig wird, wenn sie „nach einem anstrengenden Tag“ nach Hause kommt: „Als Leis­tungssportlerin weiß ich, was es heißt, wenn man seinen Körper an die Leistungsgrenze bringt. Aber was man uns hier antut, grenzt an Körperverletzung.“

Gegen Ende der Veranstaltung wird die Teilnehmerzahl mit „337“ angegeben. Als einer der letzten Redner enthüllt Reinhard die Tricks von Rhetorikern, die gerne „wir“ und „gemeinsam“ sagen. Dann exkulpiert er die Gegendemonstranten auf seine Weise: „Sie können nichts dafür, dass sie sich Masken aufsetzen und Schilder gegen uns malen. Sie haben nicht die Informationen, die wir haben.“

Nach über zwei Stunden sollten diese Informationen eigentlich ausgetauscht sein. Ob sie überzeugen konnten, zeigt sich beim nächsten Termin am 5. November.

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