Kirchheim

Auftritt vor ausverkauftem Parkplatz

Kabarett Bei den Auto-Konzerten auf dem Parkplatz Hahnweide trat Christoph Sonntag gleich zweimal auf, dafür aber jeweils nur eine Stunde lang. Von Peter Dietrich

Christoph Sonntag lässt die Landespolitiker-Puppen tanzen. Foto: Peter Dietrich
Christoph Sonntag lässt die Landespolitiker-Puppen tanzen. Foto: Peter Dietrich

„Ich wurde schon oft angehupt, aber nie so freundlich wie hier“, begrüßte der Kabarettist Christoph Sonntag die Besucher auf dem Parkplatz Hahnweide in Kirchheim. Nein, ein Berufsverbot für Kabarettisten, wie es Corona brachte, habe er sich zuvor niemals vorstellen können. Er blickte aber bereits über die Coronakrise hinaus: „Es ist wichtig, dass wir alle Grundrechte wieder zurückbekommen, und zwar ungeöffnet und am Stück.“

Bei der ersten einstündigen Vorstellung um 18 Uhr war der Parkplatz nur zu einem Drittel belegt. Bei der Wiederholung um 20.30 Uhr, deren Karten zuerst angeboten wurden, waren dann mit 60 Fahrzeugen alle Plätze ausverkauft.

Bei der zweiten Runde gab es zusätzlich eine Begrüßung durch Andreas Kenner. Der SPD-Landtagsabgeordnete bewies wie gewohnt ebenfalls kabarettistische Qualitäten. Warum in Kirchheim so viel los ist? Die Stadt war einst ein paar Jahre lang von Spaniern besetzt gewesen, die hätten über ihre Nachfahren spanisches Temperament hinterlassen. Wenn es nach Kenner geht, könnte der Parkplatz Hahnweide eine dauerhafte kulturelle Location werden, die Stadt müsse nur noch für eine Stromversorgung sorgen.

Gut vorgesorgt hatten die Veranstalter für alle Bedürfnisse der Besucher. Zwei junge Damen brachten mit dem Postfahrrad Getränke und Snacks zu den Autos, es gab einen Pizzastand und mobile Toiletten. Am besten ließ sich der Auftritt natürlich im offenen Cabrio genießen, das offene Verdeck war auch ganz offiziell zulässig. Viele putzten vor Beginn ihre Windschutzscheiben. Die meisten Autos trugen ein ES oder NT im Kennzeichen, aber auch Besucher mit Waiblinger und Ludwigsburger Kennzeichen waren da.

Christoph Sonntag schaffte es auch unter diesen erschwerten Umständen, spontanen Kontakt zum Publikum aufzubauen, einzelne Leute herauszugreifen: Ob jemand da sei, der nicht in Baden-Württemberg geboren sei? Eine Dame im Cabrio kam aus Sachsen. Ob sie vor oder nach der Wende rübergemacht habe? Die kurze Erzählung der Dame gab Sonntag dann übers Mikrofon für alle wieder - sinngemäß und mit schönem sächsischem Einschlag.

Politiker fasste Christoph Sonntag nicht mit Samthandschuhen an. „Einfach mal machen“, wünschte er sich zu Trumps Vorschlag, Bleichmittel zu trinken. Nach seiner Diagnose ist der amerikanische Präsident ein siebenjähriger Junge mit ADHS, der im Körper eines siebzigjährigen Milliardärs gefangen ist - da war aus den Autos einiges Gelächter zu hören.

Zwischen allem Klamauk schien manchmal fundamentale Kritik hindurch, wie zum Euro, der für die einen zu weich und für die anderen zu hart sei, das könne so eigentlich nicht funktionieren. Es laufe auf ein Kerneuropa hinaus, befand Christoph Sonntag - aus Baden-Württemberg, dem Elsass und der Nordschweiz.

Was wir aus Corona gelernt haben? „Vor Corona dachten wir immer, wir haben kein Geld. Plötzlich gibt es Geld, man muss es nur drucken.“ Der Kabarettist warnte vor einer Privatisierung der Autobahnen, sonst komme eines Tages im Stau die Durchsage: „Die A8 wird Ihnen präsentiert von Seitenbacher.“ Mit Corona hatte Christoph Sonntags Programm immer wieder zu tun: Er erzählte von zwei Wochen Quarantäne zuhause, wenn man plötzlich mit Menschen zusammen sei, die man gar nicht richtig kenne. Da sei es Zeit für eine Art Kneipentour, mit einer Flasche Bier in jedem Zimmer.

Mit Aluhut und Sonnenbrille präsentierte Christoph Sonntag wildeste Thesen und Herleitungen. Eine willkommene Abwechslung war der Auftritt mit den Puppen von Günther Oettinger (CDU) und Winfried Kretschmann (Grüne). Im streitbaren Dialog zwischen beiden ging es unter anderem um die Frage, was Winfried Kretschmann mit den Grünen zu tun hat.

Nachfrage hinter den Kulissen: Wie geht es dem Kabarettisten mit dieser Art von Auftritt, wenn außer Hupen die direkte Rückmeldung aus dem Publikum fehlt? Christoph Sonntag kennt einen Kollegen, dem das so schwer fiel, dass er das nie wieder machen will. Was aber für ihn selbst entscheidend ist: Die Menschen verlangten danach, hätten in dieser Situation eine Sehnsucht nach Kultur. Da sei es nicht so wichtig, wie sich der Kabarettist dabei fühle.