Kirchheim

Barocke Klangmysterien meisterhaft interpretiert

Konzert Die Gesamtaufführung der Rosenkranzsonaten von Heinrich Ignaz Franz Biber startete im Kornhaus.

Kirchheim. Dass man sich über den Ton einer „verstimmten“ Violine freuen kann, ist schon sehr ungewöhnlich. Für die als Mysterien- oder Rosenkranzsonaten bekannten Kompositionen Bibers sind sie aber eine essenzielle Grundbedingung, um jeder der 15 Sonaten ihre eigene Klanglichkeit zu verleihen.

So erfuhren die zahlreich erschienenen Zuhörer vom in Kirchheim beheimateten Künstler und Musikwissenschaftler Dr. Bernhard Moosbauer, dass nicht weniger als 15 verschiedene Saitenstimmungen, sogenannte Skordaturen, für eine Gesamtaufführung nötig sind. Dafür bedarf es aber auch mehr als eines Instruments.

In den Einführungen zu den Werken informierte Bernhard Moosbauer, wie stets in launigen und prägnanten Worten, über wichtige Details zur Entstehung der Werke im zeitgeschichtlichen Kontext und über die biografische Verortung im Leben des damals sehr bekannten Komponisten. Wohl 1676 entstanden, und Heinrich Bibers damaligem Herrn, dem Salzburger Fürsterzbischof Graf Khuenburg gewidmet, entfaltet der Zyklus einen herrlich schillernden Kosmos an barocker Klangrhetorik, faszinierendem Farbenreichtum und virtuoser Geigenkunst.

Virtuose Tonfiguren

Der von Paul Hindemith als „Paganini des 17. Jahrhunderts“ bezeichnete Komponist fasste mit diesen Werken die je fünf freudenreichen, schmerzhaften und glorreichen Geheimnisse des katholischen Rosenkranzes in Töne und stellte jeder der Sonaten für Violine und Basso continuo eine kleine Vignette voran mit Szenen aus dem Leben von Maria und Jesus. Der erste Abend war vier Sonaten gewidmet: Mariae Verkündigung, Kreuzigung, Himmelfahrt Jesu sowie Mariae Aufnahme in den Himmel. Biber wählte bei diesen Sonaten die barocke Form eines Präludiums, oder in der 12. Sonate die einer Intrade, um in Charakter und Tonart der Stücke einzuführen. Virtuose Tonfiguren, quasi improvisatorisch klingend, über liegenden Basstönen oder gemeinsam aufwärtsführende Läufe weckten Assoziationen vom „Schlagen eines Engelflügels“ oder der Himmelfahrt.

Besonders beeindruckte auch das Klangszenario der Kreuzigungssonate, bei dem man, verklanglicht durch markante Punktierungen vermeinte, das Hämmern der Nägel zu hören oder, durch schnelle Tonwiederholungen hervorgerufen, das Erdbeben nach dem Tod Jesu. Eine außergewöhnliche Besonderheit war in der 12. Sonate zu hören. Hier imitiert Biber, mithilfe der Skordatur, die entsprechende Resonanzen verstärkt, sogar einen festlichen Trompetenchor, einen weltlichen Herrscher repräsentierend, mit verblüffend klanglicher Wirkung. Zu den Einleitungen kontrastierende Sätze bilden bei den Sonaten meist Variationen oder Tanzsätze. Hier konnte man das reiche kompositorische Können des Komponisten hören, sei es in schönen ariosen Kantilenen, virtuosen, einfallsreichen Veränderungen oder beschwingten barocken Tanzmustern.

Dass jedes der Werke beim Hören innere Bilder entstehen ließ, wurde auch beim letzten Werk deutlich hörbar. Hier verschiebt der Komponist das Zusammenspiel zwischen Violine und Bass und lässt die Geige vorzeitig aus dem Dialog „aussteigen“, quasi das „Entschwinden Mariens in den Himmel“. Der wahrhaft „herkulischen Aufgabe“, höchste Virtuosität mit der Gestaltung inniger Melodiebögen und der Darstellung barocker Affekte zu verbinden, stellte sich der Musikwissenschaftler und Barockviolinist Moosbauer mit Bravour und Spieltechnik. Er ließ sich dabei weder von virtuosen Tonfiguren noch extremen Lagen oder Doppelgriffen schrecken und stellte doch stets den Ausdrucksgehalt der Sätze über die Demonstration bloßer Virtuosität.

Unterstützt wurde er dabei vom Dekanatsmusiker aus Mergentheim und Stuttgarter Regionalkantor, Michael Müller, der die musikalischen „Höhenflüge“ der Barockvioline souverän grundierte und unterstützte, und neben dem Klangfundament auf dem Cembalo auch zwei reizvolle Werke des Biber-Zeitgenossen Johann Caspar Kerll zu Gehör brachte. Langer, intensiver Beifall dankte den beiden Akteuren für ihre herausragenden Leistungen und weckte Appetit auf mehr. Die nächste Aufführung findet am 24. März im Vortragssaal im Spitalkeller der VHS statt. Winfried Müller