Kirchheim

​Bauern wollen in Berlin Krach schlagen

Protest 300 Landwirte haben sich mit ihren Traktoren zur Sternfahrt aufgemacht, weil sie um ihre Existenz fürchten. Für Hin- und Rückfahrt in die Bundeshauptstadt sind sie vier Tage unterwegs. Von Thomas Krytzner

Den Landwirten in der Region reicht es. Sie wollen bei künftigen Entscheidungen der Politik mitreden. Foto: Thomas Krytzner
Den Landwirten in der Region reicht es. Sie wollen bei künftigen Entscheidungen der Politik mitreden. Foto: Thomas Krytzner

Lautes Traktorengeknatter war am Sonntag zur Mittagszeit in vielen Gemeinden der Region zu hören. Grund dafür war eine Sternfahrt von etwa 300 Landwirten mit 250 Traktoren. Aus vielen Ecken des Landes - einige sogar aus Offenburg - waren Bauern auf den Parkplatz an der Kirchheimer Hahnweide gekommen, um in Gruppen nach Uhingen zu fahren. Von dort aus nahmen einige den über 600 Kilometer langen Weg nach Berlin auf sich, um am Dienstag bei der großen Kundgebung am Brandenburger Tor dabei zu sein.

Der Landwirt Uli Münsinger freute sich über die Zusammenarbeit mit der Stadt Kirchheim. Unkompliziert sei die Fahrt der 250 Traktoren bewilligt worden. „Bedingung war nur, dass nicht mehr als 75 auf einmal durch die Stadt fahren.“ So wurde auf der Hahnweide ein Tross nach dem anderen gebildet. Jede Viertelstunde setzten sich die Schlepper in Bewegung. Nach einer guten Stunde kamen sie in Uhingen an.

Die immer neu hinzu kommenden Vorschriften und Gesetze bedrohten zum Teil ihre Existenz, wettern die Landwirte. „Vor allem den Jungbauern vermiest die Bundespolitik die Laune“, sagt Uli Münsinger. Bei Landwirt Michael Kuch vom Sulzburghof in Unterlenningen steigt der Unmut zusehends: „Das neue Agrarpaket schränkt die Bauern ein. Wir müssen immer mehr Dumpingpreise akzeptieren.“ Für Michael Kuch ist es wichtig, die Verbraucher zu sensibilisieren. „Wir produzieren jeden Tag nachhaltig frische Lebensmittel.“ Er fühlt sich von der Politik allein gelassen. „Die sollen lieber mit uns reden, als dauernd mit dem Finger auf uns zu zeigen.“ Der Unterlenninger setzt auf die Verbraucher: Sie sollten mehr regionale Produkte kaufen und damit die Landwirtschaft in der Region stärken.

Für Landwirt Uli Münsinger, der in Holzmaden einen Mischbetrieb mit seinem Sohn betreibt, sieht die Zukunft düster aus: „Die zunehmenden Auflagen, wie zum Beispiel die Gülleverordnung, machen uns zu schaffen.“ Er beschreibt die Probleme der Landwirte im Kreis Esslingen: „Bei Bauvorhaben wird es immer komplizierter, und es gibt kaum ein Weiterkommen.“ In den Schulen werde zu wenig über regionale Produktion unterrichtet. Münsinger versteht es auch nicht, warum ein Kalb weniger wert sein soll als ein Kanarienvogel. „Jetzt ist der Punkt erreicht, wo wir uns formieren. Ich fahre mit dem Traktor nach Berlin und zurück.“ Für die insgesamt 1300 Kilometer sind die Bauern vier Tage unterwegs.

Am Dienstag findet beim Brandenburger Tor eine Demonstration mit Landwirten aus dem ganzen Bundesgebiet statt. Für Uli Münsinger steht fest: „Wir wollen dort zeigen, dass die Landwirtschaft lebt.“

Bei Guido Henzler aus Raidwangen schwindet die Hoffnung, dass Landwirte ihre Betriebe aufrechterhalten können: „Die neuen Abkommen bringen die Gefahr mit sich, dass sich viele Jungbauern die Landwirtschaft nicht mehr leisten können.“ Vom Bund komme das Programm Insektenschutz, das Klimapaket und eine neue Düngeverordnung. „Das ist zu viel. Deshalb gehen wir auf die Straße.“ Ziel sei, von der Politik gehört zu werden. „Wir wollen mit am Tisch sitzen und mitbestimmen. Es kann nicht sein, dass die Theorie für die Praxis die Gesetze macht.“ Ihm stößt auf, dass die Politik die Landwirte ins schlechte Bild rückt. „Wir sind schuld für alles. Wir sind verantwortlich fürs Nitrat und Pflanzenschutzmittel. Es kann nicht sein, das alles zu unseren Lasten geht.“