Kirchheim

Beethoven, mit Bach gewürzt

Kulturring-Konzert Lachezar Kostov und Viktor Valkov begeistern in der Stadthalle.

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Symbolbild

Kirchheim. Es ist ein mutiges Unterfangen, die fünf Sonaten für Vio­loncello und Klavier von Ludwig van Beethoven dem Publikum an einem Konzertabend zu kredenzen. Der VHS-Kulturring bewies damit ein glückliches Händchen und verpflichtete das international renommierte Duo Lachezar Kostov am Violoncello und Viktor Valkov am Klavier, das mit „Fünf auf einen Streich“ wahre Begeisterungsstürme in der Kirchheimer Stadthalle auslöste.

Die Beschränkung auf den Komponisten Beethoven zum Einläuten des Beethovenjahrs ist naheliegend, denn die fünf Sonaten für Violoncello und Klavier spiegeln zugleich dessen Entwicklung wider - vom heiteren „Klassiker“ bis zum Romantiker und irritierenden Frühmodernen. Abwechslung war also programmiert. Faszination und Schönheit von Cello- und Klavierklang offenbarten sich über den ganzen Abend, und die beiden brillanten Künstler zeigten, wie wunderbar Kammermusik in kleiner Besetzung sein kann.

Das Duo spielte die fünf Cello-Sonaten nicht in ihrer chronologischen Reihenfolge, sondern bevorzugte aus Gründen der Balance, aber auch der Gegensätzlichkeit jeweils eine Gegenüberstellung eines Frühwerks zu einem Spätwerk, um als Abschluss die „große“, überschwängliche und virtuose, mittlere A-Dur-Sonate zu präsentieren.

Im ersten Satz der Cello-Sonate F-Dur, Nr. 1 aus dem Jahr 1796 prallen zwei Ausdrucksebenen aufeinander. Wildes Aufbegehren und Klang-Eruptionen wechseln mit graziösen Passagen im frühklassischen Stil. Es entwickelt sich gleichsam ein Gespräch zwischen den Musikern, wenn Motive und Melodien wie Frage und Antwort hin- und hergereicht werden.

Komponist gibt Rätsel auf

An den Pianisten Viktor Valkov sind hohe Anforderungen gestellt. Er spielt mit vollem Einsatz, die Läufe perlen im rasenden Tempo mit ausdrucksstarker Phrasierung, und der Cellist Lachezar Kostov lässt sein Instrument mit „Ehrfurcht gebietender Lauterkeit” ertönen. Die Virtuosität im perfekten Zusammenspiel ist bestechend, die klangliche Balance wird leider gelegentlich gestört durch das zu laute Klavier.

In der C-Dur-Sonate Nr. 4 aus dem Jahr 1815 glänzt der junge Pia­nist mit schön gestalteten Übergängen zwischen den Formteilen und einer unglaublich differenzierten Palette der Anschlagstechnik. Im Adagio strömt eine herrlich intonierte Cello-Kantilene in die Halle, zunächst warm im tiefen Register und dann strahlend und wunderbar intoniert in der hohen Lage. Im Dialog von Tasten- und Streichinstrument ist Beethoven seiner Zeit voraus, die Poesie der Romantik ist hörbar. Dies wird vor allem im 2. Satz der D-Dur-Sonate deutlich, wo der „Gesang“ beider Instrumente an Schubert erinnert und stellenweise Assoziationen an Nocturnos von Frédéric Chopin weckt.

Mit seinem Spätwerk, wozu die Cellosonaten C-Dur und D-Dur aus dem Jahr 1815 gehören, gab der Komponist seinen Zeitgenossen Rätsel auf. Der Zusammenhang mit Beethovens Lebenssituation wird den Zuhörern im Programmheft erläutert und hilft beim Hören und Verstehen der Musik: l8l5 befand sich Beet­hoven in einer kritischen, etwas weltentfremdeten Phase. Er litt zunehmend unter dem Verlust seines Gehörs, und oft fühlte er sich einsam und missverstanden. Außerdem wandten sich seine adlige Gönner von ihm ab und ihn plagten private Sorgen. In Rezensionen aus der damaligen Zeit ist zu lesen: „Das Andante aus der C-Dur-Sonate scheint nicht mehr unserer irdischen Welt zu entstammen.“ Auch vom „Eindruck des Nebulösen“ ist die Rede. Im Jahr 1818 schreibt die „Allgemeine Musikalische Zeitung“, die D-Dur-Sonate gehöre ganz gewiss zu dem Ungewöhnlichsten und Sonderbarsten, was seit langer Zeit für das Pianoforte geschrieben worden sei. Sie gilt bis heute als sperrig und spröde.

Das Kirchheimer Publikum gerät entgegen dieser Prämissen ins Staunen und ist begeistert, mit welcher Virtuosität die beiden Künstler unter anderem die Schlussfuge der D-Dur-Sonate gestalten, wie sie das Fugenthema herausmeißeln und die Struktur transparent machen - Beethoven pur, mit Bach gewürzt.

Die A-Dur-Sonate, komponiert in den Jahren 1807 und 1808, mit ihren eingängigen Melodien, ihrem musikalischen Humor im Scherzo und dem furiosen Schlusssatz bildet den krönenden Abschluss eines Konzertabends auf höchstem Niveau. Hans-Günter Driess