Kirchheim

Bei manchen Bäumen hilft nur das letzte Mittel – Fällen

Bruchgefahr Im Herbst müssen etliche kranke Bäume in Kirchheim entfernt werden. Das geht aus dem Baumbericht der Stadt hervor. Von Andreas Volz

Diese Kastanien auf dem Kirchheimer Marktplatz müssen durch neue Bäume ersetzt werden. So steht es im aktuellen Baumbericht der
Diese Kastanien auf dem Kirchheimer Marktplatz müssen durch neue Bäume ersetzt werden. So steht es im aktuellen Baumbericht der Stadt. Außerdem müssen Mehlbeeren auf dem Milcherberg und Robinien im Schlossgraben weichen. Foto: Carsten Riedl

Rund 10 000 Bäume gibt es in Kirchheims Kernstadt. Einige von ihnen werden in den kommenden Wochen gefällt – „auch stadtbildprägende“, wie Martin Zimmert, Fachbereichsleiter für Hoch- und Tiefbau, ankündigt. Der Grund für die Fällungen ist ganz einfach: „Gewisse Bäume haben jetzt ein gewisses Lebensalter erreicht.“

Zu den betroffenen Bäumen gehören Kastanien auf dem Marktplatz ebenso wie Robinien im Schlossgraben. Besonders auffällig wird es, wenn in der Straße „Milcherberg“ sowie in der Hahnweid­straße insgesamt mehr als 20 Mehlbeerbäume weichen müssen. Gerade zu diesen Mehlbeeren sagt Martin Zimmert, dass sie von Anfang an zu wenig Platz für ihr Wurzelwerk hatten und dass ihnen somit der „Blumentopfeffekt“ geschadet habe: „Selbst Laien kriegen das Gefühl, dass da nicht mehr alles in Ordnung ist.“

Baumgutachter Martin Müller ergänzt: „Hier ist ein größerer Eingriff geplant, den uns die Natur aufzwingt.“ Vor etwa 35 Jahren seien die Mehlbeeren bewusst als Pionierbäume gepflanzt worden, wobei ein großes Problem bestehe: „Diese Bäume werden nicht sehr alt.“ Das merken die Bäume selbst, weswegen sie jetzt zum einen ihre Vitalität herunterfahren und zum anderen mit Stressblüten reagieren.

Angegriffen werden die Bäume auch von außen: „Konsolenartige Pilze“ sorgen dafür, dass die Mehlbeeren auf dem Milcherberg sowohl von der Krone als auch von unten her absterben. Ein weiteres Problem: Alle diese Bäume stammen aus derselben Baumschule und weisen deshalb alle denselben Gen-Pool auf. „Bei Menschen oder auch bei Tieren würde man da von ,Inzucht‘ sprechen“, meint Martin Müller. Eine bessere Mischung von Arten, Sorten und Herkunft – wie man sie heute nach dem aktuellen Stand von Forschung und Technik betreibe – könne „Infektionsbarrieren“ errichten. Dann sind einzelnen Schädlingen nicht mehr zwangsweise alle Bäume an einer Straße ausgeliefert.

Was bleibt über den Zustand der Mehlbeeren – und damit auch der anderen Bäume in Kirchheim, die jetzt zur Fällung anstehen – zu berichten? Martin Müller: „Da gibt es zahlreiche Bruchstellen, die wir uns einfach nicht erlauben können. Diese Bäume sind fertig. Da bringt auch Pflege und Akutdüngung nichts mehr.“

In der Bevölkerung werde das mitunter anders gesehen. Weil manche Bäume sehr alt werden können, müssten eben alle Bäume sehr alt werden: „Bäume werden nicht mehr als lebeendige Organismen betrachtet, die sterben, sondern als Denkmäler, die es unter allen Umständen zu erhalten gilt.“ Dabei betont auch Grünflächen-Sachgebietsleiter Jürgen Völker: „Wenn wir Bäume fällen, ist das wirklich das allerletzte Mittel. Dann haben wir meistens schon über viele Jahre hinweg alles andere versucht.“

Fachbereichsleiter Martin Zimmert fasst die Geschichte etwas weiter: „Wir haben uns in den letzten Jahren nicht gerade den Ruf erarbeitet, sachlich und sorgsam mit den Bäumen umzugehen – und das, obwohl wir, ganz im Gegenteil, äußerst sorgsam mit den Bäumen umgegangen sind.“ Innerbetrieblich sei alles gut organisiert gewesen. Weder rechtlich noch fachlich habe die Stadt irgendetwas falsch gemacht. Einziges Problem sei die Kommunikation gewesen.

Diese wird nun verbessert: Alle drei Jahre gibt die Stadt nun einen Baumbericht heraus, der auch im Vorfeld mit Behörden und Verbänden abgesprochen ist. Besonders die untere Naturschutzbehörde bescheinigt der Stadt nun, bei den aktuellen Planungen alles richtig gemacht zu haben. Auch Naturschutzverbände hätten nichts gegen die Vorhaben einzuwenden.

Dazu gehört auch der Umgang mit Bäumen an Gewässern. Martin Müller sagt, dass Bäume über lange Zeit hinweg wichtig waren für die Brennholzgewinnung. Damals sei auch von selbst fast alles richtig gemacht worden: „Es muss genügend Licht auf den Boden kommen. Große Bäume mit hohen Kronen nehmen aber genau dieses Licht weg.“ Wenn die großen Bäume nun aber zu lange stehen bleiben, gibt es keine natürliche Regeneration mehr entlang der Bachläufe. Durch Fällungen in jüngster Zeit habe die Stadt hier wieder nachgeholfen – mit Erfolg: „Am Schlossgymnasium kann man sehen und zählen, was da jetzt an jungen Bäumen nachkommt.“ Diese Verjüngung an Gewässern müsse von selbst kommen: „Da darf es keine Pflanzungen geben – wenn man es richtig macht. Und wenn doch nachgepflanzt werden muss, dann nur, weil vor vielen Jahren ein Fehler passiert ist.“

Die Neupflanzungen zwischen dem Schloss und der alten „Krone“ entsprechen den heutigen Trends: Dazu gehören mehr Platz für die W
Die Neupflanzungen zwischen dem Schloss und der alten „Krone“ entsprechen den heutigen Trends: Dazu gehören mehr Platz für die Wurzeln und ein Schutzanstrich.Foto: Carsten Riedl