Kirchheim

Betreuung sorgt für Sinn und Struktur

Demenz Die Malteser in Kirchheim kümmern sich wochentags um Menschen, die alleine nicht mehr zurechtkommen. Die Weihnachtsaktion des Teckboten sammelt Spenden zum Ausbau des Angebots. Von Andreas Volz

In der Gondel durch Venedig: Der Sitztanz für Demenzkranke und ihre Betreuerinnen macht es möglich - im „Café Malta“ der Maltese
In der Gondel durch Venedig: Der Sitztanz für Demenzkranke und ihre Betreuerinnen macht es möglich - im „Café Malta“ der Malteser in Kirchheim.Foto: Markus Brändli

Was verbinden „normale“ Menschen mit dem Wort „Advent“? Wahrscheinlich jede Menge Stress. Im günstigsten Fall gehören dazu die passenden Lieder, Glühwein sowie Kerzenlicht, Tannenduft und ein Kalender mit 24 Türchen. Aber wie sieht das bei Menschen mit Demenz- erkrankung aus?

„Ein Lichtlein brennt“, ruft die Dame mit dem silberweißen Haar voller Freude - als Antwort auf die Frage, was am vergangenen Sonntag so besonders war. Die Herkunft dieser Freude ist nicht ganz eindeutig: Vielleicht steckt eine grundsätzlich positive Lebenseinstellung dahinter, vielleicht ist es die Freude über die richtige Antwort, die den anderen nicht ganz so schnell eingefallen ist. Vielleicht aber befindet sich die Frau auch gerade gedanklich in ihrer Kindheit, wo zugleich mit dem ersten Lichtlein am Adventskranz eine kindliche Vorfreude auf Weihnachten aufflackert.

Ganz genau lässt sich das nicht bestimmen. Es ist aber auch nicht wirklich wichtig. Wichtig ist vielmehr, dass sich die Gäste im Kirchheimer „Café Malta“ so angenommen fühlen, wie sie sind. Hier können sie, trotz beginnender oder fortschreitender Demenz, ihre Stärken zeigen. Hier werden sie als Persönlichkeit wahrgenommen - und zwar als die Persönlichkeit, die sie vor Ausbruch der Krankheit ein Leben lang waren.

Der Sitztanz zur Einstimmung ist nicht jedermanns Sache. Trotzdem hat jeder seine eigenen Empfindungen, wenn es gilt, die Barkarole aus „Hoffmanns Erzählungen“ mit Gesten zu begleiten: Die Café-Gäste schaukeln in der venezianischen Gondel, sie lassen ihre Hände sanft durchs Wasser gleiten, sie ahmen die Wellenbewegungen nach - und sie winken am Schluss dem geliebten Menschen zu, der am Strand auf sie wartet. Sie schenken ihm ihr Herz.

Zum Thema „Jedermann“ verweist Heike Nägelein, hauptamtliche Mitarbeiterin der Malteser in Kirchheim und Koordinatorin der Betreuungsangebote für Demenzkranke, auf die schnelleren Rhythmen: „Bei Schlagermusik aus früheren Tagen sind auch die Männer ganz begeistert dabei.“

Außer drei „Café“-Gruppen haben die Malteser auch eine Kochgruppe im Angebot, eine „Mal- und Gestaltgruppe“, das „Freitagsfrühstück“ sowie - ganz wichtig - die Männergruppe. „Männer unter sich verhalten sich ganz anders“, sagt Heike Nägelein. „Da bieten wir gleich gar keinen Kuchen an, sondern ein herzhaftes Vesper. Sie spielen auch sehr gerne Tischfußball.“ Basteln? „Mit so was braucht man den Männern besser nicht zu kommen. Dafür werden in ihrer Gruppe kaputte Sachen repariert.“

Das beweist, was Betreuerin Monika Nowatzki berichtet: „Jeder wird dort abgeholt, wo er ist, seinen Bedürfnissen entsprechend.“ Heike Nägelein ergänzt: „Die Menschen sollen sich hier wohlfühlen. Wir schauen nicht auf das, was sie nicht mehr können, sondern auf das, was sie noch können.“ In der Kochgruppe, die eine Art Pendant zur Männergruppe darstellt, können sich die Betreuerinnen oft komplett zurückziehen, was die eigentliche Arbeit in der Küche betrifft: „Da hat jeder seinen Platz und weiß genau, was zu tun ist.“

Anknüpfen ans frühere Leben, heißt auch hier die Devise. Den Menschen soll das Gefühl vermittelt werden, dass sie noch gebraucht werden, dass sie etwas Sinnvolles machen. Die Betreuung gibt ihrem Alltag eine Struktur - und sie entlastet die Angehörigen.

Die Malteser wollen ihr Angebot ausbauen und auf eine komplette Tagesbetreuung umstellen, von 9 bis 15 Uhr, auf Wunsch sogar bis 17.30 Uhr. Um die Räumlichkeiten in der Kirchheimer Bohnau im kommenden Jahr umzubauen, sind sie auf die Unterstützung durch die Weihnachtsaktion des Teckboten angewiesen. Geplant ist unter anderem ein Sinnesgarten im Freien, zur Sturzprophylaxe: Dort können die Gäste des Tagestreffs trainieren, mit oder ohne Rollator „über Stock und Stein“ zu gehen, sodass sie das auch im Alltag besser bewältigen können.

Wer Interesse hat - an einem Betreuungsplatz oder auch an der Mitarbeit -, kann sich bei Heike Nägelein melden: unter der Telefonnummer 0 7021/95 05 20 oder per E-Mail an die Adresse heike. naegelein@malteser.org.