Kirchheim

Bitte kein „Huup-Konzert“

Musik Johnny Bluth und Grub Licht-Huup geben beim Auto-Konzert auf der Kirchheimer Hahnweide gleich doppelt Gas. Musiker und Publikum zeigen sich gleichermaßen erleichtert nach der Zwangspause. Von Anja Schulenburg

Bei manchen Zuhörern wurde das Autodach zum Dancefloor.Foto: Anja Schulenburg
Bei manchen Zuhörern wurde das Autodach zum Dancefloor. Foto: Anja Schulenburg

Gegen 19.30 Uhr warten bereits 50 Autos vor dem Open-Air-Konzertgelände Parkplatz Hahnweide. Neben Esslinger Kennzeichen reihen sich auch Göppinger, Stuttgarter, Heilbronner und Leonberger in die Schlange ein. Die Menschen steigen aus ihren Autos und lauschen den letzten Klängen der 18-Uhr-Vorstellung von Johnny Trouble und Grub Huup - Vorfreude auf das nahende Doppelkonzert liegt in der Luft.

Dann kommt Bewegung in die Autoschlange. Die Einfahrt auf das Gelände geht zügig, jeder Besucher bekommt seinen Parkplatz vor der Bühne, im Hintergrund läuft Lounge-Musik - Festival-Stimmung macht sich breit. Unter den Besucher-Vehikeln sind Cabrios, die geöffnet werden, Pritschenwägen mit Biertischgarnituren und alte Feuerwehrautos, auf deren Dach die Leute chillen und später tatsächlich tanzen werden. Wer weiter hinten oder seitlich steht, hat einen zusätzlichen Ausblick auf eine riesige Leinwand, auf der vor Konzertbeginn nochmals deutlich die aktuell geltenden Corona-Hygieneregeln eingeblendet werden. Ein Besucher aus Kirchheim stellt anerkennend fest: „Das sind absolute Profis!“

Es darf getanzt werden

Organisator Eckhardt erwähnt erleichtert: „Seit dem Wochenende dürfen die Menschen sogar aus dem Auto aussteigen und tanzen, wenn sie den Abstand einhalten.“ Das hat natürlich bei einem Konzert eine ganz andere Qualität und die Befürchtung der Bands, vor einem stillen Autopublikum spielen zu müssen, bewahrheitet sich somit nicht.

Johnny Bluth betritt als Erster die Bühne: „Meine Band kommt aus der Schweiz, da die Grenzen noch dicht sind, müsst ihr heute mit mir Vorlieb nehmen!“ spricht‘s grinsend und legt mit „Smalltown-Blues“ einem Song, dem Örtchen Schlattstall gewidmet, los. Nach anfänglichen Tonproblemen hat er das Autopublikum schnell im Griff. „Ich habe noch keine Set-List, ihr könnt euch also was wünschen“, spricht der smarte Musiker ins Mikro. Das lassen sich zwei Damen aus Heilbronn nicht zweimal sagen, und tatsächlich spielt der Johnny Trouble-Frontman den heiß ersehnten Song „Nighttrain“ für sie. Für die Rockabilly-Damen hat sich die Anfahrt also gelohnt, sie sind völlig aus dem Häuschen. Bluth bringt die Menge mit einer Mischung aus eigenen und Coversongs in Wallung. Er selbst zeigt sich vom Orga-Team der Veranstaltung begeistert und verlässt unter tosendem Beifall die Bühne. Die Zuschauer zeigen sich verwundert - eine Zugabe ist aufgrund der strengen Zeitauflagen nicht möglich.

Nach einem schnellen Umbau nimmt die Naberner Band „Grub Huup“ die Bühne und den Hahnweid-Parkplatz mit einer Mischung aus Polka-, Ska- und Reggae-Sounds, gespickt mit trockenem Humor, sowie dem Song Good Night Anna, ein. „Hoffentlich haben eure Autobatterien genügend Saft - das Ziel ist, dass mindestens drei Autos nachher stehen bleiben“, stellt Sänger Georg schmunzelnd fest. „Ihr müsst Abstand halten und hupen dürft ihr auch nicht wegen der Pferde, die dann Koliken kriegen.“ Die Alternative: Der Pogo, der sonst dicht gedrängt vor Grub Huups Bühnen stattfindet, wird jetzt unter „Licht-Huupen“ neben oder auf das Auto verlegt. Es staubt, und man sieht in befreite, strahlende, singende Gesichter. Man bekommt das Gefühl, als entlade sich oben auf der Bühne die angestaute Power von acht Wochen Corona-Zwangspause. Und auch im Publikum zeigen die glücklichen Gesichter, dass die Menschen einfach dankbar sind, dass es nach der langen Kulturpause wieder schrittweise aufwärts geht. Vor der Zugabe legen die Jungs von Grub Huup noch eine Gedenkminute gegen Rassismus ein - ein weiterer Beweis, dass Kultur, auch in Zeiten von Corona, nicht einfach wegzudenken ist, sondern Menschen verbindet.

Mit den Worten: „Kommt gut nach Hause und bleibt gesund!“ entlassen die Musiker die Besucher in den Abend. Friedlich und geordnet verlässt auch das letzte Auto kurze Zeit nach Konzertende das Gelände und verschwindet in der Nacht.