Kirchheim

Brandschutz sticht Zuschussantrag aus

Sicherheit Kirchheim steckt viel Geld in die Alleenschule. Eine Feuertreppe und ein Fluchtsteg sind aber so dringlich, dass es wohl ohne Fördermittel gehen muss. Von Andreas Volz

An der Stelle der Treppe im Erdgeschoss ist eine Fluchttreppe vorgesehen, die alle Stockwerke mit einbezieht.Foto: Carsten Riedl
An der Stelle der Treppe im Erdgeschoss ist eine Fluchttreppe vorgesehen, die alle Stockwerke mit einbezieht. Foto: Carsten Riedl

Brandschutz, wieder einmal - und wieder einmal an einer Schule: Knapp 1,5 Millionen Euro muss die Stadt Kirchheim bis Ende 2020 in die Alleenschule investieren, um die Folgen eines Brands so gering wie möglich zu halten, zumindest um Leben und Gesundheit von Schülern und Lehrern nicht aufs Spiel zu setzen.

Als wäre das nicht schon genug, gibt es noch zwei Bauarbeiten, die offensichtlich nicht so lange aufgeschoben werden können: Die Verbindung zwischen Altbau und Neubau reicht nur bis zum ersten Stockwerk. Eine Etage höher sind nun also wenigstens Türen und ein Steg für den Notfall anzubringen. Außerdem fehlt im Anbau aus den 90er-Jahren eine zweite Fluchtmöglichkeit nach Westen, also in Richtung Sporthalle Stadtmitte.

Sollte also das Treppenhaus des Neubaus verraucht sein und deswegen als Fluchtweg ausfallen, wären diejenigen, die sich im zweiten Obergeschoss aufhalten, dort eingeschlossen. Gleiches gilt im Westteil des ersten Stocks. Wer wiederum ganz oben im Altbau eingeschlossen wäre und das dortige Treppenhaus wegen Verrauchung nicht mehr nutzen könnte, wäre auf den Verbindungssteg angewiesen, um über den Neubau nach draußen zu gelangen.

Birgit Spann, die Leiterin des Kirchheimer Sachgebiets Hochbau, sieht keine Alternative - weder zum Steg im Osten noch zur Treppe im Westen. Auf Nachfrage, warum sich denn nicht das Treppenhaus im Neubau einhausen lasse, um wenigstens auf die Außentreppe verzichten zu können, sagte sie im Technik- und Umweltausschuss: „Dafür reicht der Platz nicht aus. Trennwände lassen sich deshalb baulich nicht umsetzen.“

Knapp 350 000 Euro sind für Steg und Treppe veranschlagt. Das ist aber nicht das eigentliche Problem. Der Haushalt für 2019 sieht beinahe die gesamte Summe als Ausgabe vor. Aber wenn die Arbeiten noch in diesem Jahr auszuführen sind, reicht die Zeit nicht mehr, um einen Zuschuss zu beantragen, geschweige denn zu erhalten. Dabei geht es um rund 70 000 Euro, die der Stadt Kirchheim entgehen würden, da sie die gesamten 350 000 Euro aus der eigenen Tasche bezahlen müsste.

Die Ausschussmitglieder zeigten sich sehr unzufrieden - mit den Kosten generell und mit dem Verzicht auf den Zuschuss im Besonderen. Hans-Peter Birkenmaier (Freie Wähler) sah zwar die Notwendigkeit für einen verbesserten Brandschutz an der Alleenschule, hielt es aber für unglücklich, dass die Fluchttreppe im Westen nicht über den Flur zu erreichen ist, sondern über die südwestlich gelegenen Klassenzimmer: „Das ist nicht gerade ideal.“ Sein Fraktionskollege Andreas Banzhaf wollte nicht einsehen, dass man den Neubau - der gerade einmal 25 Jahre alt sei - jetzt für teures Geld nachrüsten muss.

Massiver Druck

Hans Kiefer (CIK) war sehr erstaunt, dass jetzt sogar eine Nutzungseinschränkung droht, „wenn wir ein relativ neues Gebäude nicht schnellstmöglich nachrüsten“. Dass so ein massiver Druck aufgebaut wird, passte ihm gar nicht. Trotzdem wollte er wissen: „Wie lange haben wir denn noch Zeit, um den Zuschuss vielleicht doch noch erhalten zu können?“

Verständnis für den Zeitdruck wollte auch Dr. Thilo Rose (CDU) nicht aufbringen: „Die Brandverhütungsschau, bei der die Mängel festgestellt wurden, war im November 2016, vor zweieinhalb Jahren. Was ist denn in der Zwischenzeit gelaufen, dass wir jetzt plötzlich so unter Druck kommen?“

Zur Problematik, auch jüngere Gebäude nachrüsten zu müssen, erklärte Birgit Spann: „Die Auflagen für den Brandschutz haben sich verschärft. Das liegt an den Erfahrungen der vergangenen Jahre und Jahrzehnte. Heute weiß man eben, dass Schüler nicht in großer Anzahl über Leitern aus Klassenzimmern gerettet werden können - schon gar nicht über Steckleitern, wie es hier der Fall wäre.“

Am Ende der Diskussion schlug Bürgermeister Günter Riemer einen Kompromiss vor: „Lassen Sie uns doch einen Baubeschluss unter Vorbehalt fassen.“ Konkret sieht der Vorbehalt so aus, dass die Stadtverwaltung mit den zuständigen Baubehörden verhandeln soll, wie viel Zeit denn noch gewährt werden kann, um doch noch den Zuschuss zu erhalten. Es geht also darum, die Nutzung nicht eingeschränkt zu bekommen. „Wenn wir noch ein Jahr Zeit haben, bauen wir Treppe und Steg mit Zuschuss. Wenn sich gar nichts machen lässt, müssen wir auf das Geld verzichten und trotzdem bauen.“

Kommentar: Fluchtwege statt Florian

Heiliger Sankt Florian! Wenn auf dich und auf dein oberstes Prinzip Verlass wäre, könnte sich die Stadt Kirchheim viel Geld sparen. So aber kommt eine Schule nach der anderen dran: Jedes einzelne Schulgebäude, sogar jeder einzelne Gebäudeteil muss für horrende Summen nachgerüstet werden. Da braucht es Brandschutzabschnitte mit Zwischenverglasung und Brandschutztüren, es braucht Verbindungsstege und Fluchttreppen für alle Etagen.

Das bringt Kirchheims Gemeinderatsmitglieder in schöner Regelmäßigkeit in Rage, wo sie doch an so vielen anderen Stellen Gelder streichen und Projekte verschieben müssen. Geld für Brandschutz ausgeben zu müssen, ist für die Stadträte ungefähr so schön wie für die Privatperson der Totalschaden am Auto - bei fehlendem Vollkasko-Schutz.

Gerade das Vollkasko-Denken ist es aber, das den Brandschutz und seine Anforderungen immer weitere Blüten treiben lässt: Sollte auch nur ein einziger Mensch an einer Kirchheimer Schule durch einen Brandfall lebensbedrohliche Verletzungen davontragen, dann weiß hinterher jeder besser, was man vorher versäumt hat. Dann wird nicht nur nach Schuldigen gesucht, dann werden auch Schuldige gefunden - ob sie wirklich etwas dafür können oder nicht.

Verständlich also, dass die Verantwortlichen der Feuerwehr bei einer Brandschau auf jeden noch so kleinen Missstand hinweisen: Im Zweifelsfall müssten sie als Experten den Kopf dafür hinhalten, wenn an einem öffentlichen Gebäude der zweite Fluchtweg fehlt. Und wenn sie den Hinweis darauf geben, sollte der Bau so schnell wie möglich erfolgen. Feuer und Rauch warten ja nicht, bis die Stadt genügend Geld angespart hat.

Was bleibt den Ratsmitgliedern also übrig? Sie können sich täglich vom Murmeltier grüßen lassen und zuschauen, wie einer über das Kuckucksnest fliegt. Wenn sie zu diesem Zweck allerdings ins Kino gehen wollen, sollten sie sich dort nach dem zweiten Fluchtweg erkundigen. Andreas Volz