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Briefe gegen das Vergessen

Kirchheim. Die Kirchheimer Gruppe von Amnesty International ruft dazu auf, sich in Briefen für Menschen einzusetzen, die Opfer von Menschenrechtsverletzungen sind. Ein häufiges Mittel, diese Menschen mundtot zu machen, ist das Verschwindenlassen. In den Briefen sollen die Verantwortlichen unter Druck gesetzt werden, sodass die Gefangenen freigelassen werden oder ihr Verfahren wieder aufgenommen wird. Vorformulierte Briefe können im Weltladen in der Dettinger Straße abgeholt werden. Sie lassen sich aber auch im Internet unter www.kirchheim-ai.de herunterladen und ausdrucken. Im November geht es um den marokkanischen Journalisten Omar Radi, den Menschenrechtler Idris Khattak aus Pakistan und den Journalisten und Zeitungsherausgeber Dawitt Isaak aus Eritrea.

Der marokkanische Journalist und Regierungskritiker Omar Radi verbüßt derzeit eine sechsjährige Gefängnisstrafe, zu der ihn ein Gericht im Juli 2021 wegen „Gefährdung der Staatssicherheit“ und „Vergewaltigung“ verurteilt hat. Damals befand er sich bereits seit fast einem Jahr in Untersuchungshaft, und der Prozess verstieß gegen sein Recht auf ein faires Verfahren. Der einzige Zeuge in diesem Fall, der Journalist Imad Stitou, wurde später wegen Beihilfe zur Vergewaltigung angeklagt und erhielt eine sechsmonatige Bewährungsstrafe. Die Behörden schikanierten Omar Radi, seit Amnesty International im Juni 2020 einen Bericht veröffentlichte, der offenlegte, dass die Behörden das Telefon des Journalisten rechtswidrig abhörten. Omar Radi kritisiert offen die Menschenrechtsbilanz der Regierung und recherchiert zu behördlicher Korruption.

Der Menschenrechtler Idris Khattak ist Pakistans führender Experte zum Thema Verschwindenlassen und hat dieses völkerrechtliche Verbrechen jahrelang für Amnesty International und Human Rights Watch dokumentiert. In Pakistan wird das Verschwindenlassen häufig als Instrument benutzt, um abweichende Meinungen zu unterdrücken. Am 13. November 2019 fiel Idris Khattak selbst dem Verschwindenlassen zum Opfer. Er und sein Fahrer befanden sich auf dem Heimweg aus der Hauptstadt Islamabad, als ihr Mietwagen in der Nähe des Autobahnkreuzes Swabi in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa abgefangen wurde. Niemand wusste etwas über den Verbleib der beiden Männer, bis der Fahrer zwei Tage später freigelassen wurde. Dem Antrag auf Aufnahme polizeilicher Ermittlungen zufolge, den Idris Khattaks Familie einreichte, hatten vier Männer in Zivil schwarze Säcke über die Köpfe der Entführten gestülpt und sie an einen unbekannten Ort gebracht. Bisher ist noch niemand zur Rechenschaft gezogen worden. Vor fast einem Jahr wurde Idris Khattak vor ein Militärgericht gestellt. Seit dem Beginn des Prozesses durfte er seine Familie zweimal sehen, sein Aufenthaltsort ist jedoch weiterhin unbekannt.

Der Journalist und Herausgeber der eritreischen Zeitung Setit, Dawit Isaak, wurde im September 2001 festgenommen. Seither halten ihn die eritreischen Behörden ohne Kontakt zur Außenwelt fest. Sie weigern sich, seinen Aufenthaltsort oder Einzelheiten über seine Gesundheit preiszugeben. Offenbar wirft die Regierung Dawit Isaak vor, ein „Verräter“ zu sein. Er wurde jedoch nie angeklagt oder vor Gericht gestellt. Amnesty International betrachtet Isaak als gewaltlosen politischen Gefangenen, der wegen der friedlichen Ausübung seines Rechts auf freie Meinungsäußerung festgehalten wird. Die Afrikanische Kommission für Menschenrechte und Rechte der Völker befand 2007, dass die Inhaftierung von Dawit Isaak und anderer Journalisten, die 2001 in Eritrea festgenommen wurden, willkürlich und rechtswidrig sei. ai