Kirchheim

Brückenbauer zwischen Religionen

Auszeichnung Klaus Schmid, der als Pfarrer im Ruhestand in Kirchheim lebt, hat das Bundesverdienstkreuz verliehen bekommen. Der Weg dahin ist lang – bei ihm reichte er bis in den Libanon. Von Peter Dietrich

Foto: Peter Dietrich
Foto: Peter Dietrich

Schmid, Jahrgang 1942, ist in Balingen aufgewachsen, die Mutter war Mesnerin. So ging er in die kirchliche Jungschar und Jungenschaft, spielte im Posaunenchor und sang im Kirchenchor. Beruflich begann er mit einer kaufmännischen Lehre.

Im Jahr 1962 wollte ein Freund mit „Dienste in Übersee“ zu den Schneller-Schulen, Klaus Schmid begleitete ihn zum Vorgespräch. „Was machen Sie eigentlich?“ - Die Frage kam für Klaus Schmid überraschend, seine Reaktion spontan. Noch im selben Jahr fuhren die beiden jungen Männer mit dem 2CV von Balingen in den Libanon, sie waren zwölf Tage unterwegs. Beim Wehrdienst war er ausgemustert, so machte er eben ein Diakonisches Jahr, das im Ausland zwei Jahre lang war.

„Ich war Mädchen für alles“, sagt er über seinen ersten Schuldienst, ob in der Erziehung, der Bücherei oder im Büro. „Mit den Kindern habe ich Arabisch gelernt.“ Zur Predigt in arabischer Sprache reicht es heute nicht, ein halbes oder ganzes Jahr zum Sprachstudium war leider nie drin, immer hieß es „du musst schaffa“.

Klaus Schmid entschloss sich zu einer weiteren Berufsausbildung, er ging auf die Karlshöhe in Ludwigsburg und wurde Diakon. Fürs Zwischenpraktikum - das Ausland war die große Ausnahme - kehrte er zu den Schneller-Schulen zurück. Als die Ausbildung fertig war, suchten die Schulen einen Erziehungsleiter für 250 Kinder: Auf ein Drittes, so wurde er auch stellvertretender Direktor, zusammen wurden es neun Jahre im Libanon.

Zurück in Deutschland, wurde er 1974 der erste Nahost-Verbindungsreferent der 1972 gegründeten Evangelischen Mission in Solidarität (EMS). Als Geschäftsführer des Unterstützungsvereins für die Schneller-Schulen sammelte er Spenden. Seine Reisen führten auch durch den Bürgerkrieg im Libanon. „Die Versorgung der Schule war schwierig. Wenn der Flughafen in Beirut bombardiert wurde, musste ich über Damaskus fliegen.“

Zurück in den Libanon? Bei dieser Überlegung hinderte Klaus Schmid vor allem eine Frage: „Are you ordainend?“ Also: Bist du ein richtiger ordinierter Pfarrer? Das war er nicht, aber wurde es auf dem zweiten Dienstweg. Bis 1988 diente er der Kirchengemeinde im Dorf bei Bad Mergentheim und wollte dort nicht mehr weg. Gott, die Kirche oder das Schicksal - in undefinierbaren Anteilen - hatten andere Pläne. So wurde er 1988 nach einer Anfrage des Stuttgarter Oberkirchenrats Prälaturpfarrer in Heilbronn im Dienst für Mission und Ökumene (DiMOE). Sein Thema war die Kirche im Nahen Osten. Eigentlich eine auf wenige Jahre befristete Sonderstelle, doch Klaus Schmid - man ahnt es schon - kam davon fast 20 Jahre lang nicht mehr weg, bis zum Ruhestand im Jahr 2007.

„In den 1990er-Jahren gab es bei uns die ersten Moscheen, ich hielt Vorträge vom Frauenkreis bis zum Männervesper.“ Oft nahm der Brückenbauer zwischen Regionen und Religionen dabei Muslime mit. „Wir müssen die Leute vor Ort hören, von beiden Seiten.“ Das gelte auch für den Nahost-Konflikt. Er wurde Teil des Vorstands des Evangelischen Vereins für die Schneller-Schulen, ab 1997 dessen Vorsitzender. Diesen Vorsitz gab er erst 2017 wieder ab. Fast jedes Jahr reiste er zwei- bis dreimal zu den Schneller-Schulen.

Inzwischen steht es um sein Arabisch besser: „Immer wenn ich aus dem Flieger steige und die Luft atme, ist es wieder da.“ Wo er die Sprache einst gelernt hat, verrät sein Dialekt: „Ich sage zum jordanischen Taxifahrer nur einen Satz, schon fragt er mich: Kommst du aus dem Libanon?“

Die dortige Schule wird heute vom libanesischen Pfarrer George Haddad geleitet, einer der ersten Schüler von Klaus Schmid. Bei der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes in der Nikodemus-Kirche in Stuttgart schilderte Haddad, wie er Klaus Schmid als Kind erlebt hatte: „Er war uns das beste Beispiel. Er setzte sich immer noch mehr ein, als von uns verlangt wurde.“ Als Dank hatte Haddad ihm eine Spende von einem früheren Schüler mitgebracht, für eine neue Flöte - als Ersatz für das Exemplar, das Klaus Schmid einmal in Amman gestohlen wurde.

Die Schneller-Schulen

Früher: Die Schneller-Schulen wurden im Jahr 1860 in Jerusalem gegründet, als „Syrisches Waisenhaus in Jerusalem“. Über drei Generationen wurden sie von der Schneller-Familie geleitet. Im Jahr 1946 wurde das riesige Gebäude als deutscher Besitz enteignet. 1952 gab es in der libanesischen Bekaa-Ebene einen Neuanfang mit der Johann-Ludwig-Schneller-Schule, später auch in der jordanischen Hauptstadt Amman mit der Theodor-Schneller-Schule. An beiden Schulen zusammen werden heute 600 Kinder unterrichtet, ein Drittel im Internat.

Heute: Die Schulen erstrecken sich vom Kindergarten bis zu dem, was in Deutschland die mittlere Reife ist. Heute werden die Schulen von einheimischen Kirchen getragen. Die Kinder werden ohne Rücksicht auf Religionszugehörigkeit aufgenommen, etwa 70 Prozent sind Muslime. pd