Kirchheim

Bühne frei für politische Inhalte

Neujahrsgespräch Der Bundestagsabgeordnete Nils Schmid sieht die Streitigkeiten in der SPD für beendet und fordert von allen Genossen ein Bekenntnis zum Regieren. Fahrverboten erteilt er eine Absage. Von Thomas Zapp

Nils Schmid (SPD)
Nils Schmid (SPD)

Viel bewegt, aber auch viel gestritten: Dass seine Partei trotz guter Arbeit im vergangenen Jahr im Gesamteindruck eher ein mittelprächtiges Bild abgegeben hat, ärgert Nils Schmid. „Man kann nicht zufrieden sein“, sagt der Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Kirchheim und Nürtingen bei seinem Neujahrsgespräch. Nach der langwierigen Regierungsbildung, den Querelen um den ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten Maaßen und dem Streit beim Koalitionspartner ist es nun wieder Zeit für Politik: „Wir räumen die Bühne frei für Inhalte.“

Dabei habe man schon zum Jahresende hin Gesetze abgeliefert wie „beim Brezelbacken“. Die Sicherheitsbehörden wie Polizei und Zoll werden um 3 000 Stellen aufgestockt, bei Richtern und Staatsanwälten gibt es 2 000. Was seiner Partei besonders wichtig gewesen sei: Die Festsetzung des Rentenniveaus auf durchschnittlich 48 Prozent des Jahresverdienstes bis 2023 und die Parität bei den Krankenversicherungsbeiträgen. Seit dem 1. Januar teilen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Beiträge wieder genau zu 50 Prozent. Auch habe die SPD 2018 in der Großen Koalition mit auf den Weg gebracht, dass vier Milliarden Euro in den „sozialen Arbeitsmarkt“ für Langzeitarbeitslose und 5,5 Milliarden Euro in das „Gute-Kita-Gesetz“ zur Verbesserung der Kinderbetreuung fließen.

Für 2019 will er mit der SPD eine Grundgesätzänderung durchsetzen, um Bundesmittel auch den öffentlichen Schulen zukommen zu lassen. Länder wie Baden-Württemberg wollten diese Einmischung des Bundes in ihre Kompetenzen nicht. Dennoch ist er zuversichtlich, die Änderung auf den Weg zu bringen, um zum Beispiel die Digitalisierung an deutschen Schulen voranzutreiben. „Man sieht, dass es gut ist, dass die SPD mitregiert“, sagt er selbstbewusst und setzt damit ein Statement gegen diejenigen in der Partei, die gelegentlich die Beteiligung an der Großen Koalition bedauern.

Dem 44-jährigen Familienvater ist aber klar, dass solides Regieren alleine nicht ausreicht. „Wir haben noch viel vor. Aber Themen wie die Bürgerversicherung oder eine Erhöhung des Mindestlohns sind mit der CDU nicht hinzukriegen.“ Sprich: Die SPD will 2019 stärker ihr eigenes Profil schärfen. Dazu passt für Nils Schmid auch die Aussage des Vizekanzlers Olaf Scholz, dass die SPD den nächsten Kanzler stellen wolle und er sich dieses Amt zutraue. „Das ist doch richtig, wenn er das so formuliert“, sagt Nils Schmid.

Bis zur nächsten Wahl gibt es aber noch genug Themen. „Wir wollen nicht, dass Stuttgart mit Fahrverboten glänzt, sondern mit neuen Mobilitätskonzepten“, betont er. Man habe natürlich ein Interesse, dass die Autoindustrie überlebt, fordere aber auch von Herstellern, die betrogen haben, dass sie bei der Hardware-Nachrüstung ein stärkeres Entgegenkommen zeigen. Schmid, selbst Diesel-Fahrer, sieht das Problem auch in der EU-Gesetzgebung. Dass gleichzeitig CO2 und Stickoxid in den Städten reduziert werden solle, sei ein „Zielkonflikt“, weil das eine die Diesel, das andere die Benziner bevorzuge. Der Nürtinger Abgeordnete wird sich auch 2019 wieder regelmäßig in seinem Wahlkreis zeigen. So wird das Gipfeltreffen auf dem Hohenneuffen und der politische Martini in Wolfschlugen mit prominenten SPD-Gästen in diesem Jahr wiederholt.

Angesichts dreier Landtagswahlen im Osten Deutschlands und der Wahl des Europäischen Parlaments in diesem Jahr wird es für die SPD wieder um das Thema Migration gehen. „Die Integration von Flüchtlingen läuft gar nicht so schlecht und der Zuzug ist nicht so stark“, sagt er. Man habe die Situation „unter Kontrolle“. Was aber gerade in den östlichen Bundesländern für Unmut sorge, sei das Gefühl, keine gleichwertigen Lebensverhältnisse mit dem Westen zu haben und abgehängt zu sein. Dagegen fordert Schmid mehr staatliches Engagement: Durch mehr Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr oder die Ansiedlung von Behörden.

Womit die Sprache auf die AfD kommt: Deren Parlamentspräsenz hat Nils Schmid nicht nur in seinem ersten Jahr als Bundestagsabgeordneter erlebt, sondern bereits im Stuttgarter Landtag. „Es hat sein Gutes und sein Negatives: Die Debatten sind lebhafter geworden, aber die Sprache aggressiver“, sagt er und fügt hinzu: „Die AfD nutzt das Parlament als Plattform, stellt aber das ganze System in Frage. Das darf nicht sein.“