Kirchheim

„Corona erschüttert uns noch nicht“

Erdbeerernte Viele Landwirte sind auf die Hilfe von ausländischen Saisonarbeitern angewiesen, doch es kommen nicht alle. Die Rettung der Betriebe: deutsche Erntehelfer. Sorgen bereitet der fehlende Regen. Von Lena Bautze

Die Erdbeerfelder der Familie Münsinger sind in voller Blüte. Foto: Carsten Riedl
Die Erdbeerfelder der Familie Münsinger sind in voller Blüte. Foto: Carsten Riedl
Symbolbild
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Sie sind schnell, fleißig und belastbar. Ohne ihre Arbeit würden viele Tonnen Lebensmittel auf den Feldern verrotten. Die Rede ist von Saisonarbeitern. Sie helfen den Bauern ab April bei der Ernte von den Lieblingen wie Erdbeeren oder Spargel. Die Helfer kommen vor allem aus Osteuropa. Doch dieses Jahr gestaltet sich die Einreise wegen der Corona-Pandemie schwierig.

„Wir haben diese Saison noch zusätzlich 15 Deutsche, die bei der Erdbeerernte helfen“, sagt Landwirt Guido Henzler. Normalerweise arbeiten auf dem Hof nur Saisonarbeiter aus Rumänien, Polen und Kroatien. Doch dieses Jahr konnten und wollten 30 Prozent nicht nach Deutschland einreisen. „Viele haben Angst nach Deutschland zu kommen. Sie denken, dass sie sich hier anstecken und ihre Familie damit in Gefahr bringen“, weiß Guido Henzler.

Die Not der Landwirte hat sich schnell herumgesprochen - Hilfe kam sofort. „Ich bin überrascht, wie viele sich direkt bei uns gemeldet haben, um uns zu unterstützen“, freut sich Guido Henzler. Auch Landwirt Uli Münsinger bekam viele Angebote: „Immer noch kommen Anfragen, und das von allen Personengruppen“, sagt der Holzmadener. Von Studenten, Schülern bis hin zu Managern ist alles dabei - und das deutschlandweit. „Uns erreichen Bewerbungen aus Berlin oder München“, sagt Andrea Münsinger. Am Ende werden sie jedoch nur fünf zusätzliche Ernter auf ihren rund 30 Ar großen Erdbeerfeldern brauchen. Diese werden dann aber aus der Region sein. „Es macht ja keinen Sinn, regional anzubauen, aber dann einen Erntehelfer jeden Tag mehrere hunderte Kilometer fahren zu lassen“, sagt Uli Münsinger. Falls die Kontaktsperre Anfang Mai wieder gelockert wird, werden dann die neuen Arbeiter von Familie Münsinger auf die Felder zum Probearbeiten bestellt und getestet, ob die Arbeit ihnen liegt. Denn einfach ist es nicht, mehrere Stunden am Tag bei jedem Wetter draußen zu ackern.

Die Coronakrise betrifft Uli Münsinger noch relativ wenig: „Wir sind ganz relaxed. Corona erschüttert uns noch nicht. Die Behörden sind viel schlimmer“, sagt der Landwirt lachend. Nur ein Traktor steht still. Es fehlt ein Ersatzteil aus Italien, und das wird nicht geliefert.

Da die Menschen immer etwas zu essen brauchen, werden auch die Bauern noch genügend zu tun haben. Zudem ist eine positive Entwicklung bei den Kunden zu merken: „Bei vielen hat ein Umdenken stattgefunden. Wir haben eine größere Nachfrage nach regionalen Produkten - vor allem bei Eiern.“

Diesen Trend erkennt auch Guido Henzler: „Es kommen viel mehr Kunden als vorher.“ Die Menschen kehren wieder zum Regionalen zurück und wollen mit anpacken: „Uns haben viele angesprochen, ob wir nicht wieder ein Feld zum selbst pflücken anbieten wollen“, sagt Guido Henzler. Deshalb plant er dieses Jahr bei Raidwangen ein Erdbeer- und Himbeerfeld, auf dem die Kunden ihre Körbe selbst befüllen können.

Um die Schälchen reichlich voll zu machen, fehlt jedoch noch etwas Wichtiges - Wasser. Normalerweise regnet es im April viel. Es heißt ja nicht umsonst „April, April, der macht was er will“, da kann es auch mal schneien. Doch mit Niederschlag ist auch in den kommenden Tagen nicht zu rechnen. „Wir brauchen dringend Regen, sonst haben wir dieses Jahr nur eine kleine Ernte“, sagt Andrea Münsinger. „Mit Leitungswasser bewässern ist auf Dauer auch nicht gut für unsere Wasserspeicher“, führt sie fort. Auch Guido Henzler hat Angst: „Ich hoffe, es geht nicht so trocken weiter.“

Bei ihm ging es jedoch schon jetzt mit dem Erdbeerpflücken los: „Ich arbeite seit 30 Jahren in der Landwirtschaft, aber das ist mir noch nie passiert, dass wir jetzt schon ernten können.“ Und Arbeiter aus Osteuropa sind auch in Sicht. „Wenn die Flüge nicht gestrichen werden, kommen nächste Woche 80 Arbeiter“, sagt Guido Henzler. Sie helfen dann, die saftigen Früchte von den rund 40 Hektar großen Plantagen zu ernten.