Kirchheim

Das Lapidarium gibt reichlich Auskunft

Depot Die Kirchheimer Archäologie-AG hat einen Großteil ihrer Sammlung in der einstigen Unterführung unterhalb der Schöllkopfstraße eingelagert. Dort sollen Steine und Hölzer dauerhaft bleiben. Von Andreas Volz

Treffen mit Laskowski wg. neuem Mueseumsdepot - Bahnhofsunterführung am S-Bahn-Gleis untern links
Treffen mit Laskowski wg. neuem Mueseumsdepot - Bahnhofsunterführung am S-Bahn-Gleis untern links

Dass Archäologen im Untergrund tätig sind, ist völlig normal. Ungewöhnlich ist es dagegen, wenn sie diesen Untergrund nicht Stück für Stück abtragen, sondern vollstellen. Genau dieser ungewöhnliche Fall ist jetzt in Kirchheim eingetreten. Der Untergrund ist schon lange da: die Unterführung der Schöllkopfstraße, die zur Eröffnung des Bahnhofs 1975 angelegt worden war. Irgendwann 2009 wurde sie schon wieder stillgelegt. Seither queren Fußgänger und Radfahrer die Schöllkopfstraße oberirdisch. Nur noch der Teil der Unterführung, der in Richtung Milcherberg führt, ist öffentlich zugänglich. Der geschlossene Teil wurde aber nicht etwa zugeschüttet, sondern lediglich von der Öffentlichkeit abgeschottet.

Dr. Frank Bauer, Stadtarchivar und Leiter der Abteilung Kultur in Kirchheim, spricht von einer „riesengroßen Fläche, die der Stadt gehört, und die man nutzen sollte“. Die Nutzung, die perfekt erscheint, ist jetzt gefunden: Seit einigen Tagen ist dort die Kirchheimer Archäologie-AG zugange. Angeführt von ihrem Leiter Rainer Laskowski, richten die AG-Mitglieder ihr neues Magazin ein.

Bislang ist das „archäologische Gedächtnis“ der Stadt Kirchheim auf viele unterschiedliche Standorte verteilt. Zwei dieser Standorte - im Bauhof sowie im Keller der Kornstraße 4 - mussten jetzt allerdings geräumt werden, sodass die alte Unterführung, die seit rund zehn Jahren leersteht, gerade recht kam: nicht als Ausweichquartier, sondern als langfristiger Standort.

Die Idee ist freilich gar nicht so neu: Schon Anfang 2003 hat sich der Technische Ausschuss des Gemeinderats mit entsprechenden Plänen beschäftigt. Trotzdem sind alle Beteiligten zufrieden, jetzt endlich dauerhafte Lagermöglichkeiten gefunden zu haben, vor allem für Steine: „Alles, was nicht ganz so klimaempfindlich ist, kann hier eingelagert werden“, konstatiert Frank Bauer, der es als Glücksfall bezeichnet, „dass die Unterführung überhaupt noch da ist“.

Großen Wert legt er darauf, dass es sich um Lagerräume handelt und nicht etwa um Arbeitsräume, für die ganz andere Voraussetzungen gelten würden. Wichtig ist es ihm auch, dass unter der Schöllkopfstraße das Depot der Archäologie-AG zu finden sein wird - und nicht das Museumsdepot. Letzteres kommt im Ficker-Areal an der Stuttgarter Straße unter. Außerdem betont Frank Bauer, „dass wir hier nicht alles lagern können“. Die Bedeutung der Fundstücke müsse schon groß sein.

Der frühere Museumsleiter Rainer Laskowski ist an dieser Stelle über jeden Zweifel erhaben: „Was wir hier lagern, ist kein Gruscht. Das sind lauter Dinge, die es wert sind, dass man sie aufhebt.“ 3000 Jahre Stadtgeschichte seien in den Steinen fast durchgehend abgebildet: „Es beginnt mit der Steinkiste aus der Jesinger Straße, die wir auf die Zeit um 1000 vor Christus datieren, und zieht sich über das Mittelalter bis zur Neuzeit hin.“ Rainer Laskowski ist der unumstrittene Herr der Steine im neuen „Lapidarium“. Wenn er sein neues „Reich“ abschreitet, fällt ihm zu jedem Stein etwas ein, auch wenn er zugeben muss: „Das ist durch den Umzug alles ein wenig durcheinandergeraten. Wir müssen es erst einmal neu sortieren.“

Durcheinandergeraten war manches allerdings schon im 16. Jahrhundert, als Kirchheim zur Landesfestung ausgebaut wurde: So fanden die Archäologen sowohl am Krautmarkt als auch am Schweinemarkt Steine aus dem ehemaligen Dominikanerinnenkloster, die man nicht mehr für die Klostermauern brauchte - wohl aber für die Stadtmauer. Wenn Rainer Laskowski von seinen Steinen erzählt, wird gleich die ganze Stadtgeschichte lebendig: Von der Stadtmauer geht es zum Denkmal für Konrad Widerholt, das einstens am Martinskirchturm stand. Von der Martinskirche wiederum gibt es Altarsteine aus der Zeit des Umbaus von 1898, die man in den 1960er-Jahren nicht mehr brauchen konnte. Mühlsteine und Ofensteine lagern jetzt ebenso unter der Schöllkopfstraße wie die Steine von Brunneneinfassungen aus der Innenstadt oder ein Sühnekreuz, das vom heutigen Faberweg stammt. Stolz ist Rainer Laskowski aber auch auf ein Stück Gips: „Das ist der Abdruck einer Plesiosaurus-Flosse. Das Original war im Stuttgarter Naturkundemuseum und ist im Zweiten Weltkrieg zerstört worden.“

So gesehen, reichen die Gegenstände im neuen Depot der Archäologie-AG von der Zeit des Jurameers bis ins 21. Jahrhundert, denn ganz hinten, fast schon an der Kolbstraße, hängt noch ein Plakat an der Wand, das für eine Veranstaltung in der Wernauer Eishalle wirbt. Die Eintrittspreise sind bereits in Euro angegeben.

Treffen mit Laskowski wg. neuem Mueseumsdepot - Bahnhofsunterführung am S-Bahn-Gleis untern linksDenkmal Conrad Widerhold
Treffen mit Laskowski wg. neuem Mueseumsdepot - Bahnhofsunterführung am S-Bahn-Gleis untern linksDenkmal Conrad Widerhold
Treffen mit Laskowski wg. neuem Mueseumsdepot - Bahnhofsunterführung am S-Bahn-Gleis untern linksGipsabdruck von einer Flosse de
Treffen mit Laskowski wg. neuem Mueseumsdepot - Bahnhofsunterführung am S-Bahn-Gleis untern linksGipsabdruck von einer Flosse der Plesiosaurus