Kirchheim

Der freie Blick ist nicht geschützt

Aussicht Ein privates Bauvorhaben an der Alten Plochinger Steige in Kirchheim sorgt für eine Grundsatzdebatte.

Kirchheim. Das „Recht auf freie Aussicht“ lässt sich wohl nur in Anführungszeichen schreiben, weil es ein solches nicht gibt - so gerne es der eine oder andere Grundstückseigentümer auch für sich in Anspruch nehmen würde: Kaum ein Bebauungsplan, gegen den sich nicht irgendein Anwohner wehren würde, weil er nach jahrelangem Genuss der schönen Aussicht glaubt, diese stünde ihm von Rechts wegen zu.

In Kirchheim ist derzeit die Änderung eines Bebauungsplans vorgesehen, wogegen sich ein Anwohner schon vor dem Auslegungsbeschluss wehrt: Im Anwaltsschreiben wird die „exponierte, wertprägende Aussichtslage“ des eigenen Grundstücks erwähnt, die durch den geltenden Bebauungsplan geschützt sei. Der Verlust der Aussicht führe zu einem „enormen Wertverlust“. Die geplante Bebauungsplanänderung wird als „Eigentumseingriff“ bewertet, der so nicht hingenommen werden soll.

Konkret geht es um einen Bauwunsch auf einem Grundstück an der Alten Plochinger Steige. Geplant ist, ein Wochenendhäuschen abzureißen und durch ein neues Wohnhaus zu ersetzen, das bedeutend größere Dimensionen aufweist als der kleine, rustikale Bau. Tatsächlich sieht der geltende Bebauungsplan an dieser Stelle nur „private Grünfläche“ vor. Insofern ist es durchaus richtig, die Aussicht des Nachbargrundstücks nach derzeit geltendem Recht als „geschützt“ zu betrachten. Sobald aber die Bebauungsplan­änderung rechtskräftig würde, wäre der jahrelange „Schutz“ der nachbarschaftlichen Aussicht dahin.

Im Kirchheimer Ausschuss für Infrastruktur, Wirtschaft und Umwelt (IWU) gab es dazu ganz unterschiedliche Meinungen. Hans Kiefer (CIK) stellte fest: „Wir sind grundsätzlich dagegen, weil wir diese Stelle nicht als den richtigen Platz zum Bauen ansehen.“

„Von purem Egoismus geprägt“

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Sabine Bur am Orde-Käß befürwortete den Entwurf, weil sich das Siedlungsgebiet dadurch arrondieren lasse: „Wir könnten uns da sogar noch weitere Bebauung vorstellen.“ Auch Hans-Peter Birkenmaier (Freie Wähler) machte sich für den Neubau stark. Die Aussicht des Nachbarn ist für ihn völlig unerheblich: „Der Einspruch ist von purem Egoismus geprägt.“

Dem Wertverlust auf der einen Seite stellte Marianne Gmelin (SPD) die Wertsteigerung auf der anderen Seite gegenüber, wenn aus dem Gartenhäuschen ein Einfamilienhaus wird. Ihre Frage nach Ausgleichszahlungen an die Stadt beantwortete Stadtplaner Gernot Pohl: „Das gibt es nicht, so gerne wir es auch hätten.“ Den Anspruch auf einen freien Blick gebe es aber auch nicht. Andreas Volz