Kirchheim

„Der goldne Topf“ macht das Rennen

Abitur 42 Prozent der Kirchheimer Gymnasiasten fühlen sich im Fach Deutsch sehnsüchtig zur Pflichtlektüre hingezogen.

Kirchheim. „Hoffmanns Erzählungen“ standen am Mittwoch im Mittelpunkt des Deutsch-Abiturs: Passend zum Prüfungsstart kurz vor Pfingsten ging es darum, sich mit einer Szene aus dem „Goldnen Topf“ auseinanderzusetzen, in der sich Anselmus mit goldenen Flammen konfrontiert sieht. Diese Flammen führen auch noch zu „schmerzvollem Entzücken“. Der Vergleich zu Hermann Hesses „Steppenwolf“, der in der Aufgabenstellung gefragt war, liegt mehr als nahe - ist doch auch Harry Haller von Todessehnsucht und regelmäßigen Sui­zidgedanken durchdrungen. Ideal passte dazu ein Zitat von Wilhelm Raabe, das einzuarbeiten war: „Des Menschen Herz kann am glücklichsten sein, wenn es sich so recht sehnt.“

Mehr oder weniger gesehnt nach dieser Interpretation hatten sich 101 Kirchheimer Gymnasiasten, die sich damit 315 Minuten lang die Zeit vertrieben. Die Pflichtlektüre als beliebte „sichere“ Aufgabe kam damit auf knapp 42 Prozent. Lediglich bei den zehn Aufsatzschreibern des TG lag dieser Wert mit 20 Prozent deutlich tiefer. Auf Platz zwei folgte der Essay, mit 47 Aufsätzen. 42 davon entstanden an Schloss- und Ludwig-Uhland-Gymnasium zur „Handschrift als Visitenkarte“ - handschriftlich. Am WG gab es fünf Abiturienten, die einen Essay zum Thema „Heimat“ verfassten.

Charons todesmatter Fahrgast

Ganze 41 Schreiber wagten sich an Kirchheims Gymnasien an den Gedichtvergleich. 33 Schüler schrieben über Conrad Ferdinand Meyers „Im Spätboot“ und Stefan Georges „Rückkehr“: Während Meyers lyrisches Ich todesmatt wohl mit dem Fährmann Charon in Richtung Hades unterwegs ist, freut sich Georges Protagonist auf eine glückliche Heimkehr, zurück an die alten Ufer. An den beruflichen Gymnasien wurde acht Mal „Im Sommer“ von Sarah Kirsch mit „Wie freu‘ ich mich der Sommerwonne“ von Hoffmann von Fallersleben verglichen.

Mit der Interpretation des Prosatexts „Im Verfolg städtebaulicher Erwägungen“ von Johannes Bobrowski beschäftigten sich 34 Abiturienten, davon fünf am TG, also die Hälfte der dortigen Deutsch-Prüflinge. Der Text aus dem Jahr 1965 wirkt erstaunlich modern - in der Art, wie er die Gentrifizierung vorwegnimmt.

Die Texterörterung wählten 18 Schüler. An den allgemeinbildenden Gymnasien ging es dabei ebenfalls um ein aktuelles Thema: um die Blase, in der sich Internetnutzer befinden, die stets ihre eigene Meinung lesen. Der Text erklärt, dass das früher schlimmer war: Am Kiosk hat man sich Magazine mit abweichenden Meinungen gar nicht erst gekauft. Im Internet dagegen lese man auch außerhalb der eigenen „Blase“. Andreas Volz