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Die Bußtagspredigt rief einen Schlägertrupp auf den Plan

Mit der Bußtagspredigt vom 16. November 1938, die Julius von Jan in der evangelischen St. Martinskirche gehalten hatte, reagierte der Pfarrer auf die Novemberpogrome eine Woche zuvor. Dabei waren von den Nazis Juden ermordet, Synagogen, Geschäfte, Wohnungen und jüdische Friedhöfe zerstört worden. Mit Bezug auf den Propheten Jeremia geißelt er die Anhänger der Nationalsozialisten: „Wo ist der Mann, der im Namen Gottes und der Gerechtigkeit ruft, wie Jeremia gerufen hat: Haltet Recht und Gerechtigkeit, errettet den Beraubten von des Frevlers Hand! Schindet nicht die Fremdlinge, Waisen und Witwen, und tut niemand Gewalt, und vergießt nicht unschuldig Blut! Gott hat uns solche Männer gesandt! Sie sind heute entweder im Konzentrationslager oder mundtot gemacht. Die aber, die in der Fürsten Häuser kommen und dort noch heilige Handlungen vollziehen können, sind Lügenprediger wie die nationalen Schwärmer zu Jeremias Zeiten und können nur ‚Heil‘ und ‚Sieg‘ rufen, aber nicht des Herrn Wort verkündigen.“

Am 25. November wurde Julius von Jan von Schlägertrupps aus Nürtingen misshandelt, angepöbelt und abgeführt. Drei Tage später erließ das Kirchheimer Amtsgericht Haftbefehl gegen ihn. Es folgten die Ausweisung aus Württemberg sowie die Verurteilung zu 16 Monaten Haft, von denen er fünf Monate absitzen musste. Die Kirchenleitung tadelte den politischen Inhalt der Predigt von Jans, was zur Suspendierung und einem Disziplinarverfahren gegen ihn führte. Mitte 1943 wurde er mit einer Strafkompanie an die Ostfront in Russland und in der Ukraine geschickt. Eine Gelbsucht ermöglichte ihm bereits nach vier Monaten die Heimkehr. Nach weiteren Stationen kehrte er im September 1945 noch einmal für vier Jahre nach Oberlenningen zurück. Darauf folgte eine Pfarrstelle in Zuffenhausen. Wegen Nierenversagens und eines Herzinfarkts gab er 1958 das Amt auf. 1964 starb er 67-jährig in Korntal. In der Evangelischen Brüdergemeinde hatte der dem schwäbischen Pietismus verbundene von Jan seinen Ruhestand verbracht. ank